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Barbara Guttmann, Ute Grau
Schließung stand er nicht mehr am Anfang seiner Selbständigkeit, vielmehr hatte er in
diesem Metier offensichtlich bereits ein gewisses Vermögen erarbeitet. Seine Braut,
die Tochter eines Schullehrers, steuerte nur 4% zum Gesamtvermögen bei. Verallgemeinernde
Aussagen über den Anteil der Ehefrauen am jeweiligen Spitzenvermögen
lassen sich anhand der schmalen Datenbasis nicht treffen, für den hier untersuchten
Zeitraum schwankt er zwischen unter 10% und über 80%.
Insgesamt lässt sich jedoch sagen, dass bei einer Mehrzahl aller hier betrachteten
Ehen die Frauen mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens einbrachten. 1886 war z.
B. in 93% der geschlossenen Ehen das von der Ehefrau eingebrachte Vermögen größer
als das des Ehemanns, im Mittel war dies zwischen 1880 und 1899 bei fast 78%
der geschlossenen Ehen der Fall. Und in immerhin noch über 46% der Ehen lag der
Vermögensanteil der Ehefrau gar bei über 70%.
Ein Zusammenhang zwischen dem Aufstieg der Tailfinger Industrie und einem
Ansteigen des Vermögens der in der Textilherstellung Beschäftigten lässt sich anhand
der ausgewerteten Inventuren nicht herstellen. Um Aussagen zur weiteren Entwicklung
des familiären Besitzes nach der Eheschließung treffen zu können, wäre eine
Auswertung der jeweils beim Tod des Ehemanns vorgenommen Teilungen erforderlich
, die ebenfalls den Rahmen dieser Studie gesprengt hätte.
Eine exemplarische Auswertung von Inventur und Teilung erfolgte jedoch für den
Fall einer Einzel-Familie der Gründergeneration, aus der die erste Tailfinger Unternehmerin
hervorging: Balthas und Salome Blickle.
10. EINE PIONIERIN DER TEXTILINDUSTRIE: SALOME BLICKLE
Doch auch über diese außergewöhnliche Frau wissen wir nur wenig. Selbstzeugnisse
wie Tagebücher oder Briefe, die uns einen Einblick in den Alltag und die Stimmung
der Frauen der Gründergeneration erlauben würden, sind in Tailfingen keine überliefert
. Mag eine gewisse Bescheidenheit selbst die Männer dieser ersten Generation von
Unternehmensgründern daran gehindert haben, sich ein „Denkmal" zu setzen, so
traten ihre Frauen ganz zurück und sind für uns nur in seltenen Fällen aus dem Dunkel
der Geschichte hervorzuholen.
Hier wird daher anhand unterschiedlichster Uberlieferungen versucht, ein Porträt
der ersten Tailfinger Unternehmerin nachzuzeichnen.
Die am 6. April 1852 als Tochter des Siebmachers Michael Bizer60 und seiner Ehefrau
Lidia, geb. Maute, geborene Maria Salome heiratete im Oktober 1874 den Lin-
denwirtsohn Balthas Blickle. Im April des Jahres war bereits der erste gemeinsame
Sohn Johannes geboren worden. 1875, 1877 und 1878 gebar Salome Blickle einen weiteren
Sohn sowie zwei Töchter61. Bei der Eheschließung brachte Salome Bizer „Fahr-
60 Es finden sich unterschiedliche Schreibweisen der Eigen- und Familiennamen (Bizer, Bit-
zer). Hier wurde die Schreibweise aus dem Beibringens-Inventar, Stadtarchiv Albstadt, Tailfingen
, Inventuren und Teilungen, Nr. 1939 übernommen.
61 Stadtarchiv Albstadt, Tailfingen, Inventuren und Teilungen, Nr. 2496, Eventualteilungs-
Urkunde.
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