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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0117
Frauenarbeit in der Industrialisierungsphase

Beschwerden oder aus Rücksicht auf ihre Familie der Landwirtschaft oder Fabrik
nicht zuwenden können"92.

Für die Unternehmer hatte die Heimarbeit zwar den Vorteil, dass sie Betriebskosten
- Raum, Heizung, Licht etc. - sparten, die Löhne äußerst niedrig waren und sie
sich um keine Arbeitsschutzbestimmungen kümmern mussten, mit steigender Qualität
der produzierten Ware und den daraus entstehenden Anforderungen an Maschinen
und Arbeiterinnen wurde jedoch eine Produktion innerhalb der Fabrik erforderlich
. Die Fabrikanten hatten hier eine bessere Kontrolle über die Arbeiterinnen und
die hergestellte Ware.

Die zu diesem Zweck eingeführten Fabrikordnungen legten nicht nur die Arbeitszeiten
fest, sie regelten rigoros, was erlaubt war und was nicht. Die Arbeitsordnung
der Tailfinger Firma Balthas Blickle's Wwe. beispielsweise schrieb 1903 für erwachsene
Arbeiterinnen eine tägliche Arbeitszeit von 11 Stunden vor. Arbeitsbeginn war
in den Monaten April bis September morgens um 6.00 Uhr, Arbeitsende um 19.00
Uhr. In den Wintermonaten Oktober bis März begann der Arbeitstag um 7.00 Uhr
und endete um 20.00 Uhr. Pausen gab es von 9.00 bis 9.30 Uhr, von 12.00 bis 13.00
Uhr und von 16.00 bis 16.30 Uhr. Von der Fünf-Tage-Woche war man noch weit entfernt
. An Samstagen und vor Feiertagen betrug die Arbeitszeit „nur" achteinhalb
Stunden, die Arbeiterinnen sollten längstens bis 17.30 Uhr beschäftigt werden.

Der Lohn wurde alle zwei Wochen samstags bar an der Fabrikkasse ausgezahlt,
zwei Drittel der Beiträge zur Krankenkasse und die Hälfte der Beiträge zur Invalidi-
täts- und Rentenversicherung wurde den Arbeiterinnen abgezogen. Die Kündigungsfrist
betrug zwei Wochen, Gründe für eine fristlose Entlassung waren neben
Diebstahl oder Tätlichkeiten gegen den Arbeitgeber auch Arbeitsunfähigkeit oder
eine „abschreckende Krankheit".

Neben diesen arbeitsrechtlichen Regelungen gab es eine Fülle sogenannter „Ordnungsvorschriften
". Verboten waren: Das Schlafen und das Lesen von Büchern und
Zeitungen während der Arbeitszeit, aber auch „unnötiges Umherlaufen, müßiges
Zusammenstehen und Schwatzen, Lärmen und Fluchen" sowie „unsittliche und
Ärgernis gebende Reden und Handlungen".

Verfehlungen gegen diese Ordnungsvorschriften wurden mit Lohnabzug bis zur
Hälfte des durchschnittlichen täglichen Arbeitsverdienstes geahndet93.
Die Arbeitsordnung der Firma Balthas Blickle's Wwe. führte auch ausdrücklich aus,
dass für das männliche und weibliche Arbeitspersonal besondere getrennte Aborte
eingerichtet seien - in den Fabriken jener Tage keineswegs eine Selbstverständlichkeit,
wie die württembergische Gewerbeaufsicht 1900 zu berichten wusste. Sie führte weiter
aus: „Die Bedürfnisanstalten gaben zu mancherlei Beanstandungen Anlaß." Sie

92 Jahresbericht der Gewerbe-Aufsichtsbeamten im Königreich Württemberg für 1910. Stuttgart
1911, S. 21.

93 Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Y 019, Fa. Balth. Blickle's Wwe., Arbeitsordnung
für die Trikotwarenfabrik von Balth. Blickle's Wwe. in Tailfingen, 15. April 1903.

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