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Barbara Guttmann, Ute Grau
Nachtarbeit sowie die Beschäftigung von Arbeiterinnen an Samstagen nach 17.00
Uhr waren nach der Reichsgewerbeordnung von 1908 verboten. Die tägliche Beschäftigungsdauer
wurde auf zehn Stunden festgeschrieben, an Samstagen und vor Feiertagen
auf acht Stunden. Arbeiterinnen, die ein „Hauswesen" zu besorgen hatten,
konnten eine eineinhalb-stündige Mittagspause beantragen104.
Von diesem Recht der verlängerten Mittagspause machten jedoch die wenigsten
Arbeiterinnen Gebrauch, sei es, weil sie im Akkord arbeiteten und dadurch weniger
verdiente hätten oder weil sie fürchteten, vom Fabrikanten schlecht angesehen zu
werden, berichtete die württembergische Gewerbeaufsicht wiederholt.
Die Einrichtung einer staatlichen Gewerbeaufsicht zur Überwachung des Arbeiterschutzes
ging in Württemberg von der 1848 begründeten Zentralstelle für Handel
und Gewerbe aus. Im Oktober 1879 wurden zwei Angehörige dieser Behörde zu
Fabrikinspektoren ernannt, erst 1887 erfolgte die Ernennung eines Landes-Fabrikin-
spektors im Hauptamt105. Bereits seit 1884 hatten Arbeiterinnenvereine die Forderung
nach weiblichen Aufsichtsbeamten erhoben106. Verstärkt wurde diese Forderung
, nachdem die Novelle der Reichsgewerbeordnung von 1891 Vorschriften zum
Schutz der Arbeiterinnen einführte. 1895 erörterten sowohl der Reichstag als auch der
württembergische Landtag die Einsetzung weiblicher Fabrikinspektoren. Als erste
Fabrikinspektorin wurde dann 1900 in Baden die Staatskundlerin und Volkswirtin
Else von Richthofen, eine Schülerin Max Webers, berufen107. Im selben Jahr erfolgte
in Württemberg die Einstellung einer Gewerbeinspektions-Assistentin108. Die Stelle
war bis 1905 der unmittelbaren Aufsicht des Präsidenten der Zentralstelle für Handel
und Gewerbe unterstellt und sollte gemäß einer Dienstanweisung ihre Tätigkeit nur
auf diejenigen Betriebe erstrecken, in denen ausschließlich oder überwiegend weibliche
Arbeitskräfte beschäftigt wurden. Bald wurde sie auch damit betraut, die Einhaltung
des Kinderschutzgesetzes zu überwachen. Ende des Jahre 1905 waren dann zwei
Gewerbeinspektions-Assistentinnen beschäftigt109.
104 Reichsgewerbeordnung 1908, §§ 137, 139, 154a.
105 Zur Geschichte der Fabrikinspektion im Königreich Württemberg s. (wie Anm. 5), S. 14-
21.
106 Barbara Guttmann: Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914-1918. Weinheim
1989, S. 49 Anm. 6.
107 Zur Geschichte der weiblichen Fabrikinspektion in Baden s. Wolfgang Bocks: Die badische
Fabrikinspektion. Arbeiterschutz, Arbeiterverhältnisse und Arbeiterbewegung in Baden
1879 bis 1914. Freiburg, München 1978, S. 64ff. Marie Baum: Rückblick auf mein Leben. Heidelberg
1950, S. 93-129. Lindner (wie Anm. 4), S. 148.
108 Die Stelle wurde mit einer „Frau Grünau (Witwe)" besetzt. Nuske (wie Anm. 5), S. 17f.
Zunächst erfolgte am 19. Dezember 1899 eine provisorische Anstellung, die definitive Anstellung
wurde erst ein Jahr später, zum 19. Dezember 1900 vorgenommen. Jahresbericht der
Gewerbeinspektions-Assistentin. In: Jahresbericht der Gewerbe-Aufsichtsbeamten im Königreich
Württemberg für 1900. Stuttgart 1901, S. 131-142.
109 Neben der Assistentin Grünau war nun eine weitere weibliche Kraft bei der Gewerbeaufsicht
tätig. Der Jahresbericht der Gewerbe-Aufsichtsbeamten im Königreich Württemberg für
1905. Stuttgart 1906, S. lf, führt „Fräulein Weller" auf.
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