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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0126
Barbara Guttmann, Ute Grau

des Ortes verändert hatte. Arbeiter und Unternehmer standen nun nicht mehr wie in
den Anfängen der Industrialisierung auf einer sozialen Stufe. Der Bevölkerung ging
es zwar insgesamt materiell besser als noch rund 50 Jahre zuvor, es gab nun aber auch
größere soziale Unterschiede. Hatte sich in den Anfangszeiten der Trikotfabrikation
die Situation des „Factors" kaum von der seiner Arbeiter, mit denen er gemeinsam in
seiner Stube am Rundstuhl arbeitete, unterschieden, war nun eine Unternehmergeneration
herangewachsen, deren Einkommen und Lebenssituation sich beträchtlich
von der ihrer Arbeiter und Arbeiterinnen unterschied126. Zwar suchte man, zumindest
nach außen hin, weiter einen bescheidenen Lebensstil zu pflegen, doch die
Distanz der Unternehmer der folgenden Generationen zu ihren Arbeitern vergrößerte
sich.

19. TAILFINGEN: EIN DORF UND SEINE BEWOHNER/INNEN
IM WANDEL

Tailfingen war am Vorabend des Ersten Weltkriegs im Industriezeitalter angekommen
. Der Ort hatte inzwischen ein völlig neues Gesicht erhalten. Zunächst um- und
angebaute Bauernhäuser waren teilweise Fabrikgebäuden gewichen. Die Zahl der
Gebäude war insgesamt von 576 im Jahr 1890 auf 1017 im Jahr 1913 angestiegen, die
Einwohnerzahl hatte zwischen 1880 und 1910 um 123% zugenommen. Nun war man
nach Ebingen der zweitgrößte Ort im Oberamt127. Eine Durchmischung von Wohnhäusern
und Fabriken wurde prägend für das Ortsbild. Neben den neuen Fabriken
entstand, meist auf Initiative der Unternehmer, eine kommunale Infrastruktur. Christian
Schöller baute 1893 ein größeres Postamt in Tailfingen, das er an die württembergische
Postverwaltung vermietete. 1905 wurde ein Gaswerk, 1910 ein Elektrizitätswerk
in Betrieb genommen128.

Doch nicht nur das Erscheinungsbild des Ortes hatte sich verändert, sondern auch
seine Bewohner. Aus Hausgewerbetreibenden waren Kleinunternehmer, aus Kleinunternehmern
Fabrikanten geworden, ehemalige Bauern und Heimarbeiter gingen
zur Arbeit in die Fabrik, Frauen waren als Heim- oder Fabrikarbeiterinnen tätig. Dies
hatte, wie schon gezeigt, zu Veränderungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung
geführt, die nicht durchweg begrüßt wurden. Ehefrauen, die den Tag in der
Fabrik verbrachten, junge Mädchen, denen der (wenn auch geringe) Verdienst aus
Fabrik- oder Heimarbeit eine gewisse Unabhängigkeit ermöglichte, wurden offensichtlich
als starke Verunsicherung erfahren.

126 Deutlich wird dies auch am Beispiel der Fa. Schöller. Der Firmengründer Christian Schöller
aß auch noch 1900 Krautsuppe und arbeitete selbst in Produktion mit. Die Ehefrau seines
Sohns Gustav Schöller hatte noch selbst seit ihrem 10. Lebensjahr „im Trikot" gearbeitet. In
der dritten Generation veränderte sich dann der Lebensstil. Aufstieg der Wirkerstadt Tailfingen
, S. 71f, S. 86ff.

127 Aufstieg der Wirkerstadt Tailfingen, S. 86. Lang, Tailfingen. Futterer, Industrialisierung, S.
57.

128 Gerhard Hauser: Albstadt im 20. Jahrhundert. Masch. Manuskript. 1992, S. 16f.

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