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Franz-Severin Gäßler
wurde im Bebauungsplan zu Beginn des 20. Jahrhunderts die nördliche Baulinie des
Straßenzuges in diesem Bereich nicht entlang der bestehenden Gebäude geführt, sondern
um bis zu vier Meter nach Norden gelegt, um den Straßenraum an der Biegung
aufzuweiten. Mit der Umsetzung dieser Baulinie wurde der extreme Versatz im
Bereich der nördlichen Raumkante verschliffen, die Kirchberggasse räumlich von der
Fürst-Wilhelm-Straße abgetrennt, dadurch das Ende der hier aufeinandertreffenden
unterschiedlichen Straßenräume nivelliert und die ehemals prägnante Form an dieser
Nahtstelle verunklärt.
Doch gehen wir weiter der Frage nach, wie der Raum an diesem Knoten gebildet
ist, was ihn prägte und wo die Ursache dafür liegen könnte. Nach wie vor ist hier,
zwischen Fidelishaus (Fidelisstraße 1) und dem ehemaligen Hering'schen Anwesen
(Fürst-Wilhelm-Straße 28), die engste Stelle des Hauptstraßenzugs der Altstadt, an
der auch der Standort des ehemaligen Schmiedtores vermutet wird12. Den Blick aus
dieser Straße nach Westen verstellt das Häberle'sche Eckhaus an der Einmündung
der Fidelisstraße (Fürst-Wilhelm-Straße 37), das fast genau in der Straßenachse steht.
An dieser Stelle ist der Charakter der Altstadt mit ihrem dichten räumlichen Gepräge
wie kaum an anderer Stelle erlebbar. Nordwestlich, unterhalb des ehemaligen
Fürstlichen Marstalles stehen zwei Häuser von ungleicher Breite, im schiefen Winkel
zur Straßenachse, weit zurückgesetzt und mit dem Rücken am Felsen. Auf diese
unplanmäßig scheinende Anordnung der Häuser richtete bereits vor siebzig Jahren
Hornberger sein Augenmerk. Angelehnt an Willy Baur vermutete er hier einen Burgflecken
und den Ursprung der städtischen Siedlung. Er nahm an, daß die Grenze des
Burgfleckens die heutige Fürst-Wilhelm-Straße bildete und der Burgflecken über diese
Straße nach Süden hinausgreifend zur „Marktstadt" erweitert wurde.13 Frick legte
sein Augenmerk ebenfalls auf diesen Kreuzungspunkt und sieht die Straßenbiegung
als Reaktion auf die dort stehenden Gebäude, insbesondere auf das Gebäude Fürst-
Wilhelm-Straße 3714. Doch dürfte die Straße sicher bestanden haben, bevor die Häu-
12 Vgl. Alex Frick, Häuserbuch von Sigmaringen. Band 2, maschr. 1973, den Beitrag über die
Entwicklung des Stadtbildes.
13 Theo Hornberger: Die hohenzollerischen Städte. Diss. phil., Univ. Tübingen 1935,
Hechingen o.J., S. 44. Willy Baur: Die Stadt Sigmaringen. Landschaft, Geschichte, Kunstdenkmäler
, Hechingen 1936, S. 13 vermutet die Lage des ersten städtischen Gemeinwesens im
Bereich zwischen Schloß und Fürst-Wilhelm-Straße. Doch läßt er diesen Gedanken in der
1956 erschienen Neuauflage seines Stadtführers fallen. Maren Kuhn-Rehfus (Hrsg.): Sigmaringen
. Ein historischer Führer. Sigmaringendorf 1989, S. 13 f. übernimmt in ihrem Kapitel
über die Entstehung der Stadt wiederum den Gedanken eines Burgfleckens, der sich für sie
ohne weitere Begründung aus der Topographie erschließt und dessen Lage sie wie folgt lokalisieren
möchte: Diese Burgsiedlung muß unmittelbar unter dem Schloß, vielleicht beim späteren
westlichen Stadtausgang gelegen haben und von der heutigen Fürst-Wilhelm-Straße
begrenzt worden sein. Doch bleibt festzuhalten, daß bislang weder archivalische noch archäologische
Quellen Zeugnis über den Entstehungsprozeß der Stadt Sigmaringen im Mittelalter
geben.
14 Er geht in seinem Beitrag - wie Anm. 12 - davon aus, daß die Häuser in der Fidelisstraße
bereits standen, bevor das sog. Schmidtor nach Westen verlegt und Laizertor genannt wurde
und die Straßenbiegung darin ihren Ursprung hat.
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