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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0155
Auf den Spuren des Hechinger Landgerichtsrats und Naturarzt Dr. Moritz Meyer

vermutlich nach seiner Rückkehr aus England, schloss Meyer Bekanntschaft mit dem
seinerzeit berühmten ,Lehmpastor' Felke, der in Repelen bei Krefeld einen sogenannten
Jungborn' betrieb. Der evangelische Pfarrer Emanuel Felke wandte in seiner
Kuranstalt verschiedene naturheilkundliche Behandlungsmethoden an und galt als
„der vielseitigste aller Naturheiler"7. Seine bevorzugte Therapie war die Lehmbehandlung
, das heißt die Verwendung von Lehm für Packungen und Umschläge, was
ihm seinen Beinamen eintrug. Ob der Kontakt zu Felke aus Anlass der Behandlung
von Meyers Schwester Ida zustande kam, wissen wir nicht. Dass ihre erstaunliche
Heilung jedoch ein Schlüsselerlebnis für Meyer wie für seinen Neffen darstellte, darf
wohl zu Recht angenommen werden. Im Jahr 1905 war die damals neununddreißig-
jährige Ida Wolf an Gebärmutterkrebs erkrankt und wurde zunächst mit schulmedizinischen
Methoden behandelt. Als diese keine Besserung bewirkten, sondern sich im
Gegenteil Ida Wolfs Krankheitszustand noch verschlimmerte, entschlossen sich
Friedrich Wolf und sein Vater zu einem letzten, verzweifelten Versuch: zu Felke, dem
, Lehmpastor'. Der verordnete Lehmbehandlung und eine spezielle Diät: Es galt zweistündlich
die Lehmpackungen um den Leib zu erneuern, die kaum gehfähige Kranke
in den Jungborn' zu bringen und ein Erdlehmbad zu bereiten. Hinzu kam die
ganz neue Verpflegung und rein vegetarische Kost, die Luftbäder, die Darreichung
verschiedener Tees und homöopathischer Mittel. Dreieinhalb Monate nach Beginn der
Kur war Ida Wolf genesen, lebte danach noch 21 Jahre und starb 1926 an einer fieberhaften
Grippe mit Herzschwäche8.

Später wandte Meyer die Felkeschen Behandlungsmethoden selbst an. Zunächst
war er jedoch in erster Linie als Jurist tätig. Er kam 1908 nach Hechingen, wo er
zuerst Landrichter war und 1910 zum Landgerichtsrat befördert wurde. Noch im
selben Jahr veröffentlichte er anonym eine philosophisch-theologische Schrift mit
dem Titel .Sinai-Briefe', die er .seinem Neffen Fritz' widmete. Auf diese Weise versuchte
Meyer, das Gespräch mit Friedrich Wolf auch über die räumliche Distanz hinweg
fortzusetzen. Die .Sinai-Briefe' sind eine Sittenlehre auf der Basis der Zehn
Gebote, die Meyer verfasst hatte, um seinen Neffen auf den Weg des Glaubens
zurückzuführen. Im ersten (Geleit-)Brief schreibt er: Lieber Fritz! Du bist in argen
Nöten. Die Philosophie, die uns weiser machen soll, engt Dich anscheinend stets mehr
ein. [...] Wie anders fühltest Du Dich früher, als noch nicht die Stürme der verschiedensten
Regungen Deine Natur durchjagten! Wie ruhte es sich gut in der Wiege der
Kindheit! [...] Das, was Du im Kindesalter gläubig annahmst, liegt allerdings weit
hinter Dir. Du scheuest Dich auch fast, noch an diesen Glauben zu denken. Es scheint
Dir schwächlich und beschämend, nachdem Dein Verstand sich auf die Suche nach
der Wahrheit gemacht hat, gleichsam wieder mit verbundenen Augen gehen zu sollen
. Verstehen möchtest Du alles, nicht bloß auf Geheiß empfinden. Verstehen?! Als

7 Joachim Früchte: Artikel: Felke. In: Neue Deutsche Biographie (NDB), Bd.5 (1961), S.70f.

8 Friedrich Wolf: Schütze dich vor dem Krebs. Stuttgart 1929, S.14ff. Zitiert nach: Henning
Müller: Friedrich Wolf. Weltbürger aus Neuwied. Selbstzeugnisse in Lyrik und Prosa. Dokumente
und Dokumentarisches. Bilder und Briefe. Hg. und kommentiert zum 100. Geburtstag
Friedrich Wolfs 1988. Neuwied 1988, S.34f.

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