http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0242
Neues Schrifttum
Wirtschaftsfaktoren in Hohenzollern-Sigmaringen. Allerdings entfielen sie als
Arbeitgeber für Klosterbedienstete sowie als Versorgungsinstitute für unverheiratete
Töchter, ebenso als Kreditgeber. Die Lehenbauern wechselten lediglich den Lehensherrn
, da sie die Höfe auf Grund ihrer Armut nicht ersteigern konnten. Und auch ein
die Wirtschaft fördernder Effekt lässt sich nicht ausmachen. Der Verkauf des Klostergebäudes
Laiz gab keinen Anstoß für eine Gewerbeniederlassung oder Fabrikgründung
.
Besonders spannend ist auch der Beitrag von Edwin Ernst Weber, der am Beispiel
des Augustinerchorfrauenstifts Inzigkofen ein höchst anschauliches Panorama geistlichen
Lebens und klösterlichen Alltags entwirft, zumal er aus reichhaltigem Quellenmaterial
schöpfen kann, das Einblicke in die Binnenverhältnisse einer oberschwäbischen
Klostergemeinschaft in den Jahrzehnten vor der Säkularisation gewährt.
Weber beschreibt neben der Geschichte und den strukturellen Grundlagen des Klosters
Inzigkofen das Streben der Klosterfrauen nach einer Steigerung der Frömmigkeitspraxis
, die er als eine Art „Hochleistungsfrömmigkeit" bezeichnet. Er schildert
die Konflikte um die Verletzung von Klausur und Schweigepflicht ebenso wie die
Extravaganzen der Frauen bezüglich der Kleidung, ihr Bedürfnis nach Amüsement,
das vor allem in der Fasnachtszeit zu Tage tritt, die Lesekultur, das Musikleben und
vieles mehr. Weber analysiert aber auch die Kontroversen um die klösterliche Frömmigkeitspraxis
und die konträren Auffassungen über das Klosterleben als Ausdruck
eines Generationenkonflikts innerhalb des Konvents. Sein Beitrag kann durchaus als
exemplarisch für das Leben in den Frauenklöstern am Vorabend der Säkularisation
gelesen werden, zumal ähnliche Strukturen und Konflikte auch aus anderen Frauenklöstern
, wie z.B. Habsthal, bekannt sind.
Einen hervorragenden Beitrag liefert auch Casimir Bumiller über den „Sonderfall"
Hohenzollern. Den spannenden Kampf um den politischen Fortbestand der beiden
hohenzollerischen Fürstentümer zwischen 1802 und 1806 schildert Bumiller als dramatisches
Geschehen in drei Akten. Das politisch-diplomatische Spiel auf den Bühnen
von Berlin, Regensburg und Paris um die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen
und die Bewahrung der staatlichen Souveränität gerät zum Familiendrama
als die Hauptakteurin in Erscheinung tritt: Fürstin Amalie Zephyrine. Die treulose
Ehefrau, die Mann und Sohn im Stich gelassen hatte, mutiert zur Heldin als sie dank
ihres Zugangs zu den Schaltstellen der Macht in Paris den Fortbestand der Fürstentümer
bei Napoleon durchsetzen kann. Bumiller vertritt die These, dass es letztlich
die Fürstin gewesen sei, die die entscheidende Rolle im Kampf der hohenzollerischen
Staaten ums politische Uberleben gespielt habe. Der „Fall Hohenzollern" bietet somit
ein geradezu klassisches Beispiel für die in den letzten Jahren in der Geschichtswissenschaft
viel diskutierte Frage nach dem dialektischen Verhältnis von Strukturgeschichte
und individueller Biographie. Den Fortbestand der hohenzollerischen Fürstentümer
bezeichnet Bumiller allerdings als eine verpasste historische Chance. Denn
die hohenzollerischen Kleinstaaten waren wirtschaftlich und sozial nicht in der Lage,
den anstehenden Modernisierungsprozess zu bewältigen. Die ihnen 1806 vorenthaltene
territoriale Revolution konnten sie erst knapp 50 Jahre später mit der Abdankung
der beiden Fürsten nachholen.
230
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2004/0242