Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 40
(PDF, 55 MB)
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Wilfried Schöntag

und derselben Schrift auch durch namhafte Schriftsachverständige"13. Nachdem er
derartig unmissverständlich die Paläographie abgekanzelt hat und da er alle auf dem
Schriftvergleich beruhende Feststellungen als „Vermutungen"14 oder „unbewiesene
^) Äußerungen"15 abqualifiziert, verstellt er sich einen kritisch-wissenschaftlichen
Zugang zu den Beuroner Quellen. Nun ist er hilflos dem Faktengewirr und den von
Kanzleidirektor Pizenberger und Helfern ausgelegten falschen Spuren ausgeliefert. Es
ist schon von Bedeutung, ob ein Text um 1550 oder um 1770 verfasst oder geschrieben
worden ist. Nur weil ein Datum, z.B. der 21. November 1571 auf dem Fragment
des Liber fundationis steht, ist der Text und die Handschrift noch lange nicht zeitgemäß
. Da Stierle aber nur in Inhalten denkt, muss er alle Märlein wie die Plünderung
des Stiftsarchivs oder andere abenteuerliche Geschichten glauben. Nach Stierles
Argumentation wären die um 1770 vorgenommenen Nachträge z.B. in einem Auslaufregister
von 1660 inhaltlich diesem Jahr zuzuordnen. Stierle geht daher sträflich
mit dem Grundsatz um, dass jeder Forscher zunächst gehalten ist, die Authentizität
der Quellen, also deren Echtheit festzustellen, bevor er sich auf die inhaltliche Diskussion
einlässt. Für die Quellenkritik hat die Geschichtswissenschaft eine breite
Palette von Methoden entwickelt, die zum Teil schon die Zeitgenossen Pizenbergers
angewandt haben. So hat der Kammerprokurator und Fiskal bei der Regierung und
Kammer in Freiburg, J. Th. v. Schach zu Königsfeld, in einem umfangreichen Gutachten
1784 die von Pizenberg produzierten und als Anhang zur Dissertation seines
Sohnes gedruckten Fälschung als solche nachgewiesen. Und er hatte es viel schwerer
als die heutigen Forscher, die sowohl den gedruckten Text der Dissertation als auch
die v. Schach damals ja nicht zugänglichen archivalischen Quellen zur Verfügung
haben und die zum gleichen Urteil gekommen sind.

Damit kommen wir zu einem weiteren für die Frage nach Original oder Fälschung
zentralen Aspekt. Warum haben Pizenberger und Helfer von ihnen erfundene Texte
in Lagerbucherneuerungen, Anniversare, Protokollbände oder sogar in eine Stiftschronik
eingetragen? In einer unglaublichen Fleißarbeit hatten sie die im Archiv und
in der Registratur liegenden Quellen durchgearbeitet und an passenden Stellen auf
freiem Raum ihre Texte nachgetragen. Da das Archiv nur für den Abt und seine weltlichen
Beamten zugänglich war, hatten diese Texte zunächst keine Außenwirkung. Es
bestand damals die Rechtsauffassung, dass Unterlagen in dem Archiv einer Herrschaft
öffentliche Glaubwürdigkeit und Beweiskraft vor Gericht hatten. Die Ausgestaltung
des Archivrechts nutzte der Kanzleiverwalter nun für seine Zwecke aus. Es
war Rechtspraxis, Dokumente aus dem Archiv, die man vor Gericht oder bei anderen
Geschäften benötigte, nicht im Original, sondern in beglaubigten Abschriften vorzulegen
. Diesen beglaubigten Texten kam die gleiche Rechtskraft zu wie den Originalen.
Sie hatten authentischen Charakter und genossen öffentliche Glaubwürdigkeit.
Daher schrieben Pizenberger und seine Helfer 34 von ihnen in unverdächtigem
Geschäftsschriftgut und liturgischen Büchern nachgetragene Texte ab und beglaubigten
diese am 12. April 1771 mit dem Siegel der Beuroner Kanzlei. Da diese frei erfun-

13 Ebenda S. 8.

14 Ebenda S. 21.

15 Ebenda S. 22.

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