Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 41
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2006/0053
Gründungslegenden, Fälschungen und kritische Geschichtsschreibungen

denen Texte nun Rechtskraft erlangt hatten, arbeiteten sie von nun an nur noch mit
den beglaubigten Texten. Diese schickte der Kanzleidirektor dem Professor Gottfried
D. Hoff mann nach Tübingen, der auf dieser Quellengrundlage eine Commentatio
inauguralis schrieb. Diese Dissertation, die am 3. Juli 1771 gedruckt vorgelegt worden
ist, verteidigte der Sohn Pizenbergers. Im Anhang dieser Dissertation wurden die
vidimierten Texte gedruckt und fanden nun ihren Weg in die Öffentlichkeit. In den
Verhandlungen mit den vorderösterreichischen Stellen oder dem Schwäbischen Kreis
wurden diese beglaubigten Texte vorgelegt und mit deren Inhalt argumentiert. Pizen-
berger und Helfer konnte davon ausgehen, dass niemand den Quellenbefund im
Archiv einsehen wollte, da ja beglaubigte Fassungen vorlagen. Daher konnten sie ihre
Texte auch so sorglos in die verschiedenen authentischen Quellen im Stiftsarchiv eintragen
. Wer sich einigermaßen mit dem Schriftgut des 16. bis 18. Jahrhunderts auskennt
, erkennt schon beim bloßen Durchblättern die verschiedenen Nachträge von
anderer Hand.

Der Vorgang der Veröffentlichung der von Pizenberger und Helfern entworfenen
Texte ist so ausführlich dargestellt worden, weil hier ein weiterer zentraler Punkt von
Stierles Argumentation angesprochen wird, der Abwehr des Fälschungsverdachts.
Vehement versucht er, die von Pizenbergers Zeitgenossen und von verschiedenen später
arbeitenden Forschern, vor allem von Karl Theodor Zingeler, Franz Herberhold
und zuletzt Wilfried Schöntag, erhobenen Fälschungsvorwürfe zu entkräften16.
Zuletzt zieht er sogar Professor Franz Joseph Schmale als Kronzeugen heran, dass es
in Beuron keine Fälschungen gegeben haben könne. Um von einer Fälschung sprechen
zu können, müsse auch die Absicht der Desinformation nachgewiesen werden17.
Urkunden könnten formal gefälscht, aber inhaltlich richtig sein. Nicht zuletzt diese
Argumentation zeigt, dass Leopold Stierle die Bedeutung der Beuroner Quellen und
die Intentionen der Handelnden nicht verstanden hat. Allein schon der Vorgang der
Beglaubigung von kurz vorher frei erfundenen Texten ist nach damaligem Recht
Urkundenfälschung. Auch erfüllt dieser Vorgang die Forderung Schmales, die
Absicht der Desinformation nachzuweisen. Sie besteht darin, dass behauptet wird,
Beuron sei ein reichsfreies Stift sei. Diesen verfassungsrechtlichen Rangs hatte Beuron
nie besessen, es strebte ihn aber nun auf Grund der neuen Quellenlage und
gestützt auf die Argumentation der Tübinger Dissertation an. Stierle selbst versteht
unter Fälschung „das Herstellen eines unechten Gegenstandes oder das Verändern
eines echten Gegenstandes zur Täuschung im Rechtsverkehr. Danach muss der Tatbestand
des „Falschen" von vornherein ausdrücklich feststehen. Dieser Tatbestand ist
bei den erwähnten Unterlagen, die über das Kloster Alt-Beuron berichten, nicht
bewiesen, er wird nur behauptet."18. Genau das aber haben Abt Rudolf und Pizenberger
getan. Sie haben Dokumente erfunden und beglaubigt, d. h. gefälscht, die der
seit Jahrhunderten bestehenden verfassungsrechtlichen Stellung eines landsässigen
Stifts widersprachen, mit deren Hilfe sie aber die Verfassung des Stifts verändern
wollten. Stierle erkennt nicht, dass es sich um Fälschungen für verfassungs- und

16 Ebenda S. 17f., 20f.

17 Ebenda S. 22.

18 Ebenda S. 22.

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