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Helmut Göggel
in Sigmaringen auftrat, aber nicht im Hoftheater. Nach der letzten Vorstellung
„ Valentine" war ich mit meiner Gesellschaft in der „Sonne", wo sämtliche anwesende
Personen, worunter auch viele Freunde von Scheer, Mengen, Grauchenwies und
Möskirch da waren, welche es alle sehr bedauerten, dass ich mit meiner Gesellschaft
schon fortginge. Selbst Abends an der Kasse drückten viele Honoratioren den Wunsch
aus noch in Sigmaringen zu bleiben, allein ich konnte es nicht mehr ändern, weil meine
zweite Erlaubnis um und schon alles zur Reise (nach Hechingen) vorbereitet
war21.
In Hechingen erging es Winter schlecht, da er im Museumssaal nicht spielen durfte
und auf eine Wirtschaft (Name nicht erwähnt) ausweichen musste wo ich nicht
mehr als 30 fl einnehmen kann. Honoratioren kommen keine dahin, weil erstens das
Lokal zu weit von der oberen Stadt entfernt ist, und zweitens ist dies Wirtshaus keins
von den ersten in Hechingen11.
Die Jahre 1848 -1850 waren für die Schauspielunternehmen allgemein nicht erfreulich
. Andere Probleme standen im Vordergrund und im Mittelpunkt der Wünsche:
Pressefreiheit, Volksbewaffnung, Schwurgerichte, freies Versammlungsrecht und ein
deutsches Parlament. Fürst Karl fühlte sich von der demokratischen Revolution von
1848 so getroffen, dass er noch im selben Jahr zurück trat und die Regierung seinem
Sohn Carl Anton überließ.
Winter beschreibt diese Zeit in einem Brief vom 29. Juni 1850:
In Reutlingen hat man unter anderen Märzerrungenschaften auch die unselige
gemacht, daß in Folge der politischen Ansicht und Gesinnungen Keiner mehr den
Anderen mag, Keiner dies oder jenes Wirtbsbaus besucht, wo der Andere hingeht,
was sich auch auf den Theaterbesuch erstreckt, besonders hier (in Hechingen), wo ich
in einem Gasthof spiele, dessen Eigenthümer Demokrat und Republikaner ist. Dazu
kommt Heuerndte, physische und politische Schwüle, Geldmangel u.s.w. Kurz, es ist
eine schlimme Zeit, besonders für die Künste und deren Priester. Wir freuen uns daher
nach Sigmaringen, wo sich unsere Misere in Freude verwandeln solP3.
Aus dem letzten Satz wie auch aus dem Protokoll der Fürstlich Hohenzollern-
schen Geheimen Kanzlei vom 30. August 1850 kann mit Sicherheit gesagt werden,
dass Winter noch 1850 in Sigmaringen aufgetreten ist:... Winter zu eröffnen, dass ihm
die Benutzung des herrschaftlichen Theater-Gebäudes zu theatralischen Vorstellungen
für einige Monate gestattet sei14.
Ein Ergebnis der 48er Revolution war, dass nach langen Verhandlungen die beiden
Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen an Preußen
abgetreten wurden. Sie wurden als „Hohenzollerische Lande" in den preußischen
Staat integriert. Fürst Carl Anton verließ Sigmaringen und trat in preußische Dienste
, zunächst als Ministerpräsident und dann als Militär-Gouverneur für Westfalen
und die Rheinprovinz. Sigmaringen verlor damit seine Funktion als Residenzstadt,
das Theaterleben kam weitgehend zum Erliegen.
21 Ebd. Bl. 100.
22 Ebd. Bl. 101.
23 Ebd. Bl. 102.
24 Wie Anm. 8.
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