Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
42(127).2006
Seite: 206
(PDF, 55 MB)
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Rolf Vogt

Zu Beginn des Krieges, 1939, hatte Hechingen 5473 Einwohner, kaum mehr als in
den Jahren davor. Am Jahreswechsel 1944/1945 waren 7636 Menschen in der Stadt
gemeldet3. Hechingen war zum Bersten voll. Die Soldaten waren eingezogen, aber
mehr als 2000 Einwohner neu hinzu gekommen. Aus dem Ruhrgebiet, vor allem aus
dem NSDAP-Gau Essen, und aus Stuttgart kamen die Evakuierten, darunter viele
Frauen und Kinder. Die Wehrmachtsangehörigen und die von den ausgelagerten Firmen
mitgebrachten Arbeiter stammten aus allen Gegenden des Reichs. Etwa vier Prozent
der Hechinger waren Ausländer, überwiegend Zivilarbeiter und französische
Kriegsgefangene. Daneben gab es eine stattliche Gruppe sogenannter Volksdeutscher,
die aus Litauen umgesiedelt waren4.

Die öffentlichen Gebäude der Stadt waren belegt mit Dienststellen von NSDAP
und Wehrmacht, die größeren Gasthäuser und Hotels requiriert. Firmen aus den
bombengefährdeten Ballungsgebieten nutzten die Fabrikhallen der Textilindustrie.
Im großen Gasthaus Löwen, heute ein Apotheken-Gebäude, saß beispielsweise eine
Dienststelle des Generalkommandos der Wehrmacht, die wegen des Luftkriegs aus
Stuttgart gekommen war. Bei der Buntweberei Gutmann & Co., der Esbi in der Friedrichstraße
, produzierte die Deutsche Hollerith Maschinen GmbH aus Berlin, in der
Trikotwarenfabrik Carl Grotz an der Haigerlocher Straße waren das Berliner Kaiser-
Wilhelm-Institut und die deutschen Atom-Physiker um Werner Heisenberg eingezogen
. Bei Heinrich Maute, heute City Park und Seniorenwohnanlage in der Oberstadt,
hatten das Marinebekleidungsamt der Wehrmacht und die AEG einen guten Platz
gefunden. Die SS hatte für die Stuttgarter Polizei das Gymnasium in Beschlag, auf
dem Marktplatz das Gasthaus Sonne und das Hotel Linde-Post am Adolf-Hitler-
Platz, dem heutigen Obertorplatz. Im Fasanenwald entstand noch in den letzten
Tagen des Kriegs ein Lager des Flughafen-Kommandos Böblingen, auf dem Lindich
wurden die Baracken vom Stab der 16. Jagdfliegerdivision genutzt.

Es gab im ganzen Stadtgebiet Wohn-Lager mit Bewachung und ohne Bewachung
und eine Stadtwacht in der Regie der NSDAP Diese Hilfspolizei, eine Art Bürgerwache
auf Kontrollgang, hatte besonders die Ausländer im Visier. An der Tübinger
Straße war aus der Auto-Werkstatt von Zimmermann und Kleinmann das Kriegsgefangenenlager
geworden mit etwa 50 französischen Gefangenen im Frühjahr 1945. In
einigen Baracken des Reichsarbeitsdiensts in der Ermelesstraße, heute Feuerwehrhaus
, befand sich das „Russenlager", in dem Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion lebten
. Auch Polen, Franzosen und Holländer bildeten eine stattliche Gruppe unter den
mehr als 200 ausländischen Zivilarbeitern. Viele wohnten privat, die anderen in den
Unterkünften, die ihre Arbeitgeber auf dem Firmengelände eingerichtet hatten.

3 Stadtarchiv Hechingen (künftig: Stadt AH). A200 Reg.-Nr. 9731, Requisitionen Radioabgabe
Sonstige. 2. Besatzungsangelegenheiten Einzelne Requisitionen 1945-46. Die dort genannte
Einwohnerzahl vom 31.12.1944 schließt die Evakuierten und vermutlich die Zivilarbeiter ein.
Das Standesamt zählte zum 31.12.1944 in Hechingen 5883 Stammeinwohner, zu denen auch
die Ausmarschierten gehörten, s. Hohenzollerische Blätter (künftig: Hz. Bl.) Nr.
35/10.02.1945. Weitere Standesamtsstatistiken in Hz. Bl. Nr. 108/10.05.1940, 70/24.03.1941,
44/22.02.1943, 28/03.02.1944.

4 Rolf Vogt: Zwangsarbeit und Ausländerbeschäftigung während des Zweiten Weltkriegs in
Hechingen. In: ZHG 38/39 (2002/2003) S. 553-672. Vgl. auch zu den folgenden Angaben.

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