Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 8
(PDF, 57 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0020
Konrad M. Müller

Das ganze Spiel dauert etwa sechs17 Stunden. Es beginnt um die Mittagsstunde und
endet mit Sonnenuntergang. Der Spielraum ist das Venetianische Reich, das für die
Dauer des Spiels im Marktflecken Grosselfingen errichtet wird. Nach einer alten
Uberlieferung sollen die Herren von Bubenhofen, die einstigen Herren von Grosselfingen
, das Narrengericht aus Venedig mitgebracht haben und in Grosselfingen eingeführt
haben, um die durch die Pest des Jahres 1439 in Trauer und Mutlosigkeit versunkenen
Bewohner des Dorfes wieder aufzurütteln"18.

Vielleicht war es Konrad von Bubenhofen, der wegen der Pest nach Venedig floh,
ganz im Sinne der Empfehlung: Fliehe gleich, fliehe weit und bleibe lange weg. Vielleicht
war es aber auch Hans Heinrich von Bubenhofen, der zur Zeit Kaiser Maximilians
(1493-1511) mit diesem in vielen Ländern, wohl auch in Venedig, unterwegs war,
der das Narrengericht nach der Pest von 1519 einrichtete.

Es geht auch ohne den Aufenthalt in Venedig: „Meine persönliche Meinung geht
dahin, dass sich Grosselfingen zur Zeit der Bubenhofen als eine kleine Seestadt Venedig
bezeichnen durfte; denn nicht weniger als sechs Weiher umgaben damals das
Dorf. Auffallend ist jedenfalls, dass neben Venedig auch der Name Amsterdam in den
alten Akten des Grosselfinger Narrengerichtes auftaucht, dessen Verkehr sich innerhalb
der Stadt ja auch vielfach auf dem Wasser abspielt"19.

Wenn also nach jeder Pest in der Folge das Narrengericht eingerichtet worden sein
soll, ist es nicht verwunderlich, dass auch nach der Pest von 1610/11 ein Gründungsjahr
gefunden wird. Die Gründung der Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts
wird in das Jahr 1623 datiert. Ein Vorbild fanden die Grosselfinger in der württembergischen
Salve-Regina-Bruderschaft von 1429. Da die Mitglieder dieser Bruderschaft
die Spieler sind, ist dieses mögliche dritte vorgeschlagene Gründungsjahr auch
nicht auszuschließen. Einige Mitglieder der Bruderschaft verkleiden sich beim Spiel
in Butze. Die Art des Kostüms wird gern mit der Schutzkleidung der früheren
Pestärzte verglichen, so dass aus dieser Sicht wiederum die Pest zur Einführung des
Narrengerichts führt20.

Die Butzen sind das Bindeglied zwischen Pest und Spiel, daher ist deren genaue
Beschreibung nötig: „Die Butzen sind die auffälligsten Gestalten des Zuges. Sie und
das Narrenrössle sind die einzigen vermummten Mitspieler. Mit ihren schwarzen
Umhängen und der hohen Gesichtslarve, der Butzenkappe, welche sie groß und
mächtig erscheinen lässt, können sie furchterregend wirken. Die Butzenkappe ist mit
bunten Blumen und Bändern reich besetzt. Die vielen über den Rücken wallenden,

17 Manfred Ostertag: Bruderschaft des Ehrsamen Narrengerichts. Das Narrengericht zu
Grosselfingen. Grosselfingen 1996. S. 6: „dauert etwa 4 Stunden".

18 Michael Walter: Das ehrsame Narrengericht zu Grosselfingen Hohenzollern, mit 10
Zeichnungen. Grosselfingen 1949. S. 10.

19 Ebd. S. 12.

20 Monika Schwedhelm: Zur Gründung und Geschichte der Bruderschaft des Ehrsamen
Narrengerichts. In: Grosselfingen 1995, S. 58-79; Andreas Zekorn: Volksschauspiele. Das
Rottweiler Krippenspiel und das Grosselfinger Narrengericht. In: Ulrich Gaier - Monika
Küble - Wolfgang Schürle: Schwabenspiegel. Literatur vom Neckar bis zum Bodensee
1000-1800. Band I: Katalog; Band II: Aufsätze, Ulm 2003. Bd. II. S. 425-439, dazu Katalogtext
mit 3 Abbildungen (IV/59 Die Butzen u. 60 Die Butzen tanzen). In: Bd. I, S. 188/9.

8


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0020