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Anton Fink: Die schwarzen und die heiteren Lose meines Erdenlebens
[83] Sängerbund in Haigerloch
Der Geburtsort für den Sängerbund ist das Bräuhaus in Haigerloch. Sein Besitzer,
Wilhelm Zöhrlaut, war Gesanges-Liebhaber und selber ein guter Sänger. Er verfügte
über einen hohen ausgiebigen Tenor. Die Lehrer der ganzen Umgegend kehrten gerne
bei ihm ein. Man sang oft und gerne. Der Mangel an Noten machte sich bald
bemerkbar. Hätten wir doch Liederbücher, sagte Einer zum Andern. D'r Brui - wie
Zöhrlaut von seinen Bekannten allgemein genannt wurde - versprach (unter dem Beifall
der ganzen Korona): „Bis wir wieder zusammen kommen, sind 4 Liederbücher -
Lorelei - da. Dann können wir als Quartett-Sänger auftreten." Stürmisch wurde der
Brui umjubelt.
Acht Tage nachher war erste Gesangs-Probe, aber ohne Dirigenten. Es saßen ja
lauter Dirigenten (Lehrer) feuchtfröhlich beieinander. Kamen Lehrer ins Bräuhaus,
so war es Jedem erlaubt, die Liederbücher aus dem in der Ecke stehenden Pulte [84]
heraus zu nehmen. Ein Singen und Klingen hob wiederum an. D'r Brui in seinem
Bräuhaus hörte es und stracks saß er in Mitten der Sanges-Brüder und sang aus voller
Kehle mit. Aus diesem Embrio im Bräuhaus ist nach und nach der Haigerlocher
Sängerbund heraus gewachsen.
Immer mehr Lehrer scharten sich um das bescheidene Häuflein Sänger. Unser Brui
war Duzbruder mit den Lehrern aus allen Gemeinden der weiten Umgegend. Diese
Freundschaft mehrte seine Kundschaft in reichlichem Maße. Seine Auslagen für die
Liederbücher rentierten sich ganz großartig für den Schlaumaier. Der Sängerbund
bekam Zuwachs aus der Haigerlocher Bürgerschaft. Nun wurde zur förmlichen Vereins
-Gründung geschritten. Lehrer Binder, Trillfingen, wurde Dirigent und Physikus
Wern Vorstand des Sängerbundes. Der kranke Lehrer Rot, Haigerloch, kam nicht in
Frage, eben so wenig der jugendliche Lehrer Fink. Rot sah den neu gegründeten Verein
mit gar scheelen Augen an. Er sah meine Teilnahme als Sänger gar nicht gerne. Für
mich wurde der Sängerbund zur Quelle ständiger Sorgen.
[85] Lehrer Binder war ein schneidiges Männlein und konnte manchmal sackgrob
werden. Aber, diese Rücksichtslosigkeit brachte ihm seine Erfolge. 1879 beim Sigmaringer
Sänger-Fest holte der Sängerbund seinen ersten Preis. In Schwäbisch Gmünd,
mehrere Jahre nachher, gab es wiederum einen ersten Preis, obwohl die Konkurrenz
weit größer war als in Sigmaringen.
Als Binder strafversetzt wurde, übernahm August Reiser von Haigerloch den Sängerbund
. Der Sängerbund vegetierte weiter, erreichte seine einstige Höhe nie wieder.
Bei Reisers Begräbnis war ich Dirigent des Sängerbundes. Wir ehrten den Sänger-
Freund durch einen schwierigeren Trauer-Chor.
[86] August Reiser, Haigerloch
Dieser Mensch schimpfte sich Musikdirektor und war nichts als ein besserer
Diletant.
Dieses zu beweisen, ist mehr als leicht. Man höre und staune: Auf seinem elterlichen
Geschäft in Gammertingen hat er Bankrott gemacht. Als Kaufmann auf dem
Hause Stehle-Sigmaringen hat er Bankrott gemacht. Verheiratet war er mit einer
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