Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 239
(PDF, 57 MB)
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Der Fall Otto Nerz - ein sporthistorisches Märchen

Prüfung 1933, der Approbation am 15. Dezember 1934 und der Promotion an der
Chirurgischen Klinik der Berliner Charite am 1. Oktober 1936 vorantrieb18.

Erste Aufgabe von Otto Nerz als Reichstrainer war die Vorbereitung der DFB-
Auswahl auf die Olympischen Spiele 1928. Nerz hatte aber nicht das alleinige Sagen
in der Nationalmannschaft. Der von den Landesverbänden dominierte Spielausschuss
des DFB mit seinem Vorsitzenden Josef Glaser und Präsident Linnemann, die bisher
ohne Reichstrainer die Mannschaft mehr nach regionalem Proporz als mit sportlichen
Kriterien zusammengerufen hatten, redeten weiter in die Aufstellung hinein und
behielten sich das letzte Wort vor.

Sein Spielsystem übernahm Otto Nerz vom britischen Fußball. Er war wiederholt
in England und beobachtete Spiel und Training. Die in Deutschland anfangs „Nerz-
System" genannte WM-Aufstellung blieb im internationalen Fußball jahrzehntelang
Standard und wurde im Grunde erst in den 1960er Jahren vom Vier-Zwei-Vier-
System und der Fortentwicklung mit dem Libero abgelöst. Begünstigt wurde das
WM-System durch die Änderung der Abseitsregel 1925. Nur noch zwei statt drei
gegnerische Spieler mussten bei Ballabgabe vor dem angreifenden Stürmer stehen.

Der britische Fußball war in Deutschland umstritten. Auf den Sportplätzen und
im DFB gab es starke Kräfte, die von Profis wie in England oder Osterreich nichts
wissen und im eigenen Land nur lupenreine Amateure kicken sehen wollten. Die Verbandsstrafen
waren drastisch. Wer mit einem Handgeld erwischt wurde, musste mit
Sperre rechnen. Der Bannstrahl traf mehrere Nationalspieler, und Nerz' Kapitän
Fritz Szepan durfte die Olympischen Spiele 1936 nicht mitmachen, weil er als ehemaliger
Berufsspieler galt.

Ganz am Anfang seiner Karriere war Nerz selbst an einer Berufsspieleraffaire
beteiligt. Er holte 1921 Joseph (Sepp) Herberger zum VfR Mannheim. Herberger
(1897-1977) spielte beim SV Waldhof Mannheim und ließ sich in der Sommerpause
für den Wechsel zu Phönix Mannheim 10.000 Mark bezahlen. Er gab das Geld zwar
zurück und wechselte lieber zum Nerz-Club, aber der Kauf flog auf, und Herberger
wurde gesperrt. Das Berufungsverfahren brachte ihm schließlich ein knappes Jahr.
Im VfR Mannheim entstand die lang anhaltende Freundschaft mit Otto Nerz. 15 Jahre
später wurde Herberger sein Nachfolger als Reichstrainer und gut 30 Jahre später
mit der deutschen Nationalmannschaft Weltmeister beim legendären 3:2-Erfolg gegen
Ungarn in Bern.

Nerz machte sich für den Amateursport stark und verdiente mit dem Sport doch
sein Geld. Er akzeptierte Mietzahlungen von Sponsoren für Spieler, aber keine Handgelder
. „Moralische Selbstgerechtigkeit" wird ihm - und anderen Fußballfunk-

18 Ebd. S. 32f. Havemann (wie Anm. 4) S. 154f. Die medizinische Karriere von Otto Nerz ist
bisher nicht untersucht worden. Havemann weist darauf hin, dass sich Nerz als Mediziner „in
einem beruflichen Umfeld [bewegte], in dem die Theorie von der 'Züchtung der Besten' auf
breite Akzeptanz stieß und beinahe zur gängigen Lehre geworden war". Nerz soll eng mit dem
Chirurgen Karl Gebhardt zusammen gearbeitet haben, der als Leibarzt Heinrich Himmlers
Oberster Kliniker im Stab Reichsarzt SS war, Experimente an Gefangenen in Konzentrationslagern
leitete und 1948 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hingerichtet wurde.

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