Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
43(128).2007
Seite: 252
(PDF, 57 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0264
Rolf Vogt

verbot. Gut möglich ist, dass die Beurlaubung mit dem Personalfragebogen zu tun
hat, den Otto Nerz am 5. Juni 1938 der SA ausfüllen musste49. Dort gab er seine
frühere Mitgliedschaft in der SPD an. Das war zu dem Zeitpunkt eine Schwachstelle
in seiner Biographie. Nerz war 1920 in Mannheim Sozialdemokrat geworden, und
kurze Zeit hatte er dort das Amt eines Jugendleiters inne. In Berlin war er politisch
nicht mehr aktiv.

Der NS-Staat griff in seiner Familie noch fester zu: Nerz' älterer Bruder Friedrich
fiel auf, ein eigenwilliger Sonderling, der Briefe in die Reichskanzlei nach Berlin
schickte, in denen er Hitler zum Rücktritt aufforderte. Die Geheime Staatspolizei
sperrte ihn ein. Bis 1942 sei er mehr als 20 Mal und insgesamt drei Jahre lang in Haft
gewesen, gab Friedrich Nerz nach dem Krieg in seinem Entnazifizierungsverfahren
an50. Dass Otto Nerz' Sympathien für NS-Deutschland mit den beruflichen und privaten
Erfahrungen seit 1936 spürbar abgekühlt sind, erscheint durchaus plausibel.

Auffällig sind deshalb die Tiraden, mit denen er im Juni 1943 im Berliner „12 Uhr
Blatt" von sich reden machte. Sie überraschen, weil der frühere Reichstrainer bis
dahin niemandem mit antisemitischen Vorurteilen aufgefallen war, die über das im
deutschen Kulturkreis gewöhnliche Maß an Vorbehalten hinaus gingen. Jetzt kündigte
er das judenfreie Europa und den judenfreien Sport an. Der jetzige, vom Juden
entfachte Weltkrieg hat die verräterische Rolle des Juden auch auf dem Gebiet des
Sports noch offenkundig gemacht, schrieb Nerz in seinem mehrteiligen Zeitungsartikel
: Die Völker Europas sind dabei, daraus die Folgerungen zu ziehen. Sie konnten
aus der Nähe beobachten, welchen gewaltigen Aufschwung der judenfreie deutsche
Sport nach 1933 nahm. Sie haben aber auch am eigenen Leibe die nihilistische Wühlarbeit
des Juden erlebt. Ein Volk nach dem anderen schüttelt das Joch des Juden ab51.

Das sei Auftragsarbeit, hofft die eine Seite der Nerz-Historiker, und die andere
erkennt in diesen Zeilen aufrichtiges Bekenntnis. Unter welchen Bedingungen die
Artikelserie in der Berliner Zeitung entstand, ist heute nicht mehr erkennbar. Die
Begleitumstände lassen sich durchaus beschreiben: Friedrich Nerz hat in seinem Entnazifizierungsverfahren
1946 und später wiederholt, wenn auch nie mit genaueren
Angaben, versichert, 1942 aus der Gestapo-Haft durch meinen Bruder Prof. Dr. med.
Otto Nerz [...] nochmals frei gekommen zu sein. Im September 1943 erhielt er einen
Posten in der deutschen Zivilverwaltung im Elsass. Dazwischen liegt der öffentliche
Treueschwur mit den antisemitischen Schmähungen aus der Feder von Otto Nerz.
Zufall? Geschäft? Oder Erpressung? Die Frage bleibt offen.

49 Frdl. Mitt. Karl-Heinz Schwarz-Pich.

50 Staatsarchiv Sigmaringen, Wü 13,1287, 6/S/3039 Nerz. In seinem Urteil bestätigte der Kreis-
untersuchungsausschuss in Hechingen Friedrich Nerz politische Verfolgung und Haft, zweifelte
aber an seinem Geisteszustand. Vgl. Regierungsblatt für das Land Württemberg-Hohen-
zollern Beilage Nr. 8/30.07.1947 S. 172. Friedrich Nerz: Das Ende des Il.ten Hitler-Welt-Krieges
. Beuren 21.06.1979 (Ms. im Besitz des Autors). Den „Führer" zur Abdankung aufgefordert
. In: SB Nr. 225/28.09.1979. HZ Nr. 225/28.09.1979.

51 Ausführlich Havemann (wie Anm. 4) S. 280. Leinemann (wie Anm. 4) S. 285f.
Schwarz-Pich (wie Anm. 2) S. 207-209.

252


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2007/0264