Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
45(130).2009
Seite: 133
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2009/0137
Die jüdische Gemeinde Dettensee

veröffentlichen. In seiner eigenen Münchner Wohnung wurde er ein Gefangener. Als man ihm, dem
blinden, später noch seine Sekretärin und Betreuerin wegnahm, ward er alleingelassen mit sich selbst.
Mit seinem Stock tastete ersieh die benachbarten Häuser und Gartenzäune entlang, um in den Läden
das Nötigste an Nahrungsmitteln einzukaufen. Ein Weg ohne Ucht ist lang, ein Tag ohne Licht ist
noch weit länger. Wie tot war es um den Blinden her. Ja, grausam tot kann es um den Menschen her
sein, wenn die eigenen Hausgenossen sich gegen ihn totstellen. Jahrelang blieb es so. Die Lage war zum
Verzweifeln. Und es verzweifelten viele meinesgleichen. Sie wurden irrsinnig, andere nahmen sich das
Leben, und wieder andere wurden weggeführt —, wie ich später hörte, in den Tod.417 Ebenfalls in
Wer bist du Mensch? schildert Stern, nun in der ersten Person schreibend, in kurzen Worten
die Zeit von seiner Deportation bis zu seiner Errettung: Mit eingeschriebenem Brief
hatte mir die Geheime Staatspolizei des Hitler-Regimes mitgeteilt, daß ich mich zum 21. Juli 1942
für den Abtransport bereitmachen sollte. So ließ ich alles liegen, wie es lag, und stehen, wie es stand.
Der Großgefahr des Todes gegenüber werden irdische Dinge und Werte uninteressant. Im Herzen war
es wie erstorben. Man wußte ziemlich sicher, was einem bevorstand: der Tod. Am späten Vorabend
meiner Verschleppung kam noch Fräulein Bernhardine Hurrelmann, meine frühere Sekretärin, mit
ihrer Kollegin. Beide nahmen den Stoß „Blätterfür mich" mit fort. Diese Aufzeichnungen waren gerettet
. Alles übrige in meiner Wohnung verfiel dem Raub und der Vernichtung. Bei meiner Rückkehr
vom KZ erhielt ich alle meine „Blätter für mich " wieder zurück. Hier sind nun eine Reihe Kapitel aus
ihnen, ergänzt durch einige neue. Der Verfasser kam als ein mit Haut überzogenes Skelett wieder,
doch sein Geist blieb in Frische bewahrt. Dies dürften die vorliegenden Kapitel dieses Buches zur Genüge
bezeugen™.

Auf Grundlage von Sterns Aufzeichnungen, die er als Blinder die ganze Zeit während
seiner Inhaftierung in Theresienstadt fortführte und bis zu seiner Befreiung retten
konnte, sendete der Nordwestdeutsche Rundfunk am 13. November 1955 eine Reportage479
über sein Schicksal während des Krieges: Nach seiner Verhaftung durch die Gestapo
am 21. Juli 1942 wurde Stern zunächst in ein Auffanglager verbracht, wo ihm
nahezu sein ganzes Gepäck gestohlen wurde, bevor er in einem großen Sammeltransport
nach Theresienstadt kam. Stern stellt eindringlich das dortige Elend vor: die unsäglichen
alltäglichen Beschwernisse, ein Hausen ohne ausreichendes Mobiliar, in
unbeheizbaren Wohnungen in Unterkünften mit Latrinen für 80 Personen. Er schildert
die mangelhafte Ernährung, Hunger, Kälte und Krankheiten, an denen zahllose Menschen
verstarben, und die „Entsorgung" der Leichen. Ebenso beschreibt er die alltäglichen
Erniedrigungen, dass sich beispielsweise berühmte und gelehrte jüdische
Persönlichkeiten vor jungen deutschen Burschen verneigen mussten. Auch das oft wenig
solidarische Zusammenleben der Zwangsbewohner von Theresienstadt, unter denen

477 Stern, Wer bist du, Mensch? (wie Anm. 476), S. 5-10.

478 Ebd, S. 12 f.

479 NORBERT STERN: Theresienstadt. Bericht aus einem Ghetto. Nordwestdeutscher Rundfunk Köln,
ausgestrahlt am 13. November 1955.

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