Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
45(130).2009
Seite: 149
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2009/0153
Talmi-Kultur und Klassen-Gegensätze

Nachmittag, schrieb der Arbeiter53. Er fühlte sich aufgerufen, auf sein 25-jähriges Berufsleben
zurückzublicken. Dem Brauch der Zeit folgend, gab die Zeitung seinen Brief
namenlos wieder. Offenbar berichtete er aus dem Arbeitsalltag bei Baruch.

Dort lief die Produktion jahrelang zwölf Stunden, gearbeitet wurde montags bis freitags
von 6 bis 12 Uhr und von 13 bis 19 Uhr, samstags bis 18 Uhr. Eine Näherin aus
Weilheim musste in den 80er Jahren morgens um 5 Uhr aufbrechen und war 14 Stunden
später gegen 19 Uhr wieder zu Haus, hat Oberamtsphysikus Dr. Konrad Stauß, der
Kreisarzt, als Jugenderinnerung aus seiner Heimatgemeinde berichtet54. Ein Weber, der
zwölf Stunden arbeitete, kam noch später heim.

Rahmenbedingungen setzte das Deutsche Reich mit der Gewerbeordnung von 1891.
In ihr wurden die Sonntagsarbeit und die Kinderarbeit in der Industrie verboten und
die Arbeitszeit für Jugendliche unter 16 Jahren auf zehn und für Frauen auf elf Stunden
begrenzt. Die Gewerbeordnung, die der Reichstag im Dezember 1908 verabschiedete,
begrenzte die Frauenarbeit auf höchstens zehn Stunden täglich sowie samstags und an
Werktagen vor Feiertagen auf acht. Männer hatten an diesen Tagen spätestens um 17
Uhr Feierabend. Die Novelle von 1908 enthielt auch die ersten Regeln für den Mutterschutz
. Urlaub kannte das Kaiserreich noch nicht.

Interessant ist, dass die Gewerbeordnung der Realität eher hinterherlief - jedenfalls
in Hechingen. Baruch machte seit 1889, zwei Jahre vor der ersten Gewerbeordnung,
Feierabend um 18 Uhr nach elf Stunden, die Gegenwart des Leserbriefschreibers. Schon
1898, lange vor der zweiten Gewerbeordnung, waren nach Angaben der Centralstelle
in den Fabriken zehn Stunden vorwiegend und wurden danach die RegeP. Vormittags und
nachmittags gab es halbstündige Pausen.

Der Rückgang der Arbeitszeit war ein Bedürfniß. Dieser Meinung war der Fabrikarbeiter
von 1890 in den Hohenzollerischen Blättern. Er brachte die Stundenzahl in direkten
Zusammenhang mit einer gleichfalls neuen Errungenschaft seiner Zeit: dem
Akkord. Früher sei Taglohn üblich gewesen, jetzt werde immer häufiger nach der Menge
der fertiggestellten Ware bezahlt, stellte er fest: Gelang es nun einigen geübten Arbeitern, etwas
mehr wie gewöhnlich %u verdienen, flugs waren die Arbeitgeber dabei, vom Lohne %u schneiden, beschrieb
er einen verhängnisvollen Kreislauf. Die Anstrengung [wuchs], denn jede Maschine
will anhaltend bedient sein, überlegte er weiter. Stückzahlerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen
gingen seiner Meinung nach Hand in Hand. Irgendwann am Tag war der
Erschöpfungszustand erreicht, legte er nahe.

53 Hz. Bl. Nr. 69/04.05.1890.

54 Hz. Bl. Nr. 61/13.03.1943. Vgl. Otto Werner: Chronik der Arbeiterspeiseanstalt Hechingen
und des Marienheims (wie Anm.46) S. 5.

55 Jahresbericht 1898 S. 19, 1906/07 S. 54, 1908/09 S. 67, 1912/13 S. 121. Vgl. Hz. Bl. Nr.
74/13.05.1890, 204/08.09.1907, 85/17.04.1912.

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