Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
45(130).2009
Seite: 163
(PDF, 60 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2009/0167
Talmi-Kultur und Klassen-Gegensätze

Nach der Zählung der Staatsanwaltschaft in Hechingen passierten alle 105 Fälle von
Körperverletzungen, die sie 1908/09 in Hohenzollern zur Anklage brachte, und die 77
im Geschäftsjahr 1909/10 in Wirtschaften oder nach dem Besuch von Wirtschaften. Konrad
Stauß, der Oberamtsarzt, sprach vom Sonntag als Sauftag, an dem die meisten Vergehen
und Verbrechen begangen würden. Als Folge des übermäßigen Alkoholgenusses vom Sonntag sei
die Unfallhäufigkeit in den gewerblichen Betrieben montags am höchsten, stellte er weiter
fest108. Die Centraistelle wies darauf hin, dass Mord und Totschlag in Hohenzollern im
Vergleich zu ganz Preußen unverhältnismäßig häufig vorkämen109.

Voller Emotion brodelten auch politische Unterhaltungen. Sozialdemokratische und
christliche Arbeiter gerieten wiederholt aneinander. Einmal war die eine Seite Schuld,
das nächste Mal die andere. Im Juli 1909 hatten Johann Weißmann, ein Zwicker aus Pirmasens
, und seine beiden Kumpel in einem Hechinger Gasthaus eine Schlägerei mit
zwei christlichen Arbeitern aus ihrer Heimat. Ein anständiger Arbeiter aus Pirmasens
sei niemals christlich, soll Weißmann geschimpft haben. Dann ging's zur Sache. Die
Schlägerei sei ein unerhörter Fall sozialistischer Brutalität, schimpfte der katholische
Zoller110.

Nach der Klage des Leserbrief schreibenden Fabrikarbeiters von 1890 vergnügten
sich in Gasthäusern und Tanzlokalen auch allzuoft ledige Fabrikarbeiterinnen. Statt Sonntags
[...] sittlichen Gefahren sich auszusetzen, sollten sie sich in der Haushaltung nützlich zu machen
suchen, damit sie später tüchtige Hausfrauen werden und mit dem Verdienste ihres Mannes auszukommen
wissen, forderte der bereits gealterte Mann die jungen Frauen auf. Das schlechte
Image der Arbeiter stimmte ihn nachdenklich: Wie gerne wird er bei jeder geringfügigen Veranlassung
mit dem Pöbel zusammengeworfen, sinnierte er wehmütig. Dieses thut dem Arbeiter weh
und verdirbt noch das Gute, das sich in seinem Herfen bewahrt hat, fürchtete er111.

Die Centralstelle in Sigmaringen fand den Alkoholkonsum zu hoch. Sie begann ihren
Kampf gegen den Missbrauch. Fabrikarbeitern sagte sie die Neigung nach, das große
Wort im Wirthshause zu fuhren. Leichtsinn und Verschwendungssuchtwaren ihrer Ansicht nach
Gründe für den Alkoholmissbrauch112. Als gesellschaftliche Gefahr sahen den Drogenkonsum
weitere öffentliche Einrichtungen. Die Alkoholfrage war Thema der Volkshochschule
in einem Vortrag, den der Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik
Tübingen, Robert Gaupp, im März 1909 hielt. Einige hundert Zuhörer kamen in das
Museum. Zum Begleitprogramm der Tuberkulose-Ausstellung gehörte ein Vortragsabend
über den Alkoholmissbrauch mit einem anderen Tübinger Redner, Grützner, im
Realgymnasium am 6. März 1910113.

108 Hz. Bl. Nr. 40/21.02.1910. Jahresbericht 1910/11 S. 159.

109 Jahresbericht 1905/06 S. 72: 7,41 auf 100.000 Einwohner gegenüber 1,96 in Preußen. Jahresbericht
1910/11 S. 159: 1909 2,89 gegenüber 2,20.

110 ZNr. 127/28.07.1909.

111 Hz. Bl. Nr. 69/04.05.1890.

112 Jahresbericht 1898 S. 20.

113 Hz. Bl. Nr. 51/05.03.1909, 52/06.03.1909, 53/08.03.1909, 50/04.03.1910, 52/07.03.1910.

163


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2009/0167