Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
45(130).2009
Seite: 173
(PDF, 60 MB)
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Talmi-Kultur und Klassen-Gegensät2e

tagsabgeordneten Wilhelm Bios zwei Tage später im Gasthaus Kaiserburg in der Heiligkreuzstraße144
. Die Hechinger Zeitungen sollen die Annahme von Anzeigen abgelehnt
haben, der katholische Zoller kündigte die Versammlung redaktionell aber an. Dazu
hingen Plakate in der Stadt - von bübischer Hand unleserlich gemacht, wie die Sozialdemokraten
später klagten. Trotzdem wurde es in der Kaiserburg am 27. Mai 1894, einem
Sonntag, eng. Der Gastraum sei überfüllt gewesen, und die Tür habe abgesperrt werden
müssen, schrieb zwei Tage später die Schwäbische Tagwacht, die Tageszeitung der württembergischen
SPD in Stuttgart. Viele Neugierige saßen nachmittags an den Tischen,
das Hechinger Bildungsbürgertum, eher wenige Arbeiter. Franz Weber wurde zum Versammlungsleiter
gewählt, Constantin Haiß und Friedrich Klotz assistierten als Beisitzer.

Nach Hechingen kam ein prominenter Mann. Wilhelm Bios, Journalist, Schriftsteller
und Berufspolitiker, war damals 44 Jahre alt. Seit 1872 Sozialdemokrat, hatte er mehrmals
im Gefängnis gesessen, wurde 1877 erstmals Reichstagsabgeordneter und lebte
seit 1882 in Stuttgart. Dort wurde er später, 1918, Chef der November-Regierung und
erster Staatspräsident des republikanischen Württemberg. 1894 gehörte er dem Reformflügel
an, der auf Wahlen und Parlamentsarbeit setzte, um die Ziele der Partei zu verwirklichen
.

Bios redete eineinhalb Stunden lang. Er legte seine Reformvorstellungen dar, harmlos
undfast gewinnend, wie die Hohenzollerischen Blätter fanden. Bios forderte das allgemeine
Wahlrecht, die Kürzung der Rüstungsausgaben, Glaubens- und Gewissensfreiheit, die
Trennung von Kirche und Staat, eine bessere Arbeiterschutzgesetzgebung mit gesetzlich
fixiertem Achtstundentag, kostenlosen Schulbesuch, kostenlose Justizpflege und auf
lange Sicht die Beseitigung der Klassenherrschaft zugunsten einefr] Gesellschaftsordnung, die auf
Gerechtigkeit beruh [t]XAS. Aus heutiger Sicht nicht viel, was beanstandenswert wäre.

Als die Rede zu Ende ging, fühlte sich eine Handvoll Honoratioren unter den Zuhörern
zu Widerspruch aufgerufen. Nach den Zeitungsberichten ergriffen der noch von
der Kaiserfeier im Januar in Erinnerung gebliebene Religionslehrer Wendelin Ott, Postsekretär
Roman Sauter und Textilfabrikant Jakob Levi das Wort, die ersten beiden Zentrum
, der letztere der liberale Unternehmer. Stadtschultheiß Konrad Mayer, der an dem
Nachmittag ebenfalls in der Kaiserburg saß und einige Tage später Oberamtmann

144 StadtAH, A 200, Reg. Nr. 6210 Politische Parteien, 11. Gründung eines Arbeitervereins. Zur
Geschichte der frühen SPD in Hechingen vgl. Hz. Bl. Nr. 51/03.03.1906. Die parteieigene Geschichtsschreibung
ist äußerst unzuverlässig, vgl. 100 Jahre SPD-Ortsverein Hechingen. 1909-2009 (7. Juni
1894). Hg. vom SPD-Ortsverein Hechingen. Hechingen 2009. C[laudia] Buckenmaier] : Mit roten
Rosen und roten Fahnen. In: SB Nr. 81/08.04.1989. Hermann Zimmermann: Die Geschichte der
Hechinger SPD. In: Hechinger Rotkehlchen Nr. 2/1985. Der Ortsverein Hechingen hat 1989 sein
80. und 2009 sein 100. Jubiläum gefeiert. Irrige Jahresfeste finden sich in der Vereinsgeschichte häufig.
Allgemein zur Jubiläumskultur vgl. Paul Münch (Hg.): Jubiläum, Jubiläum ... Zur Geschichte öffentlicher
und privater Erinnerung. Essen 2005.

145 Hz. Bl. Nr. 81/29.05.1894. Z Nr. 62/29.05.1894. Schwäbische Tagwacht (künftig: Schw. Tagwacht
) Nr. 121/29.05.1894.

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