Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
45(130).2009
Seite: 207
(PDF, 60 MB)
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Talmi-Kultur und Klassen-Gegensätze

Hatte die katholische Seite vor der Jahrhundertwende bei den Gesellen und Lehrlingen
noch die Nase vorn, so fiel sie bei den Arbeitern zurück. Sowohl die christliche Gewerkschaft
1906 als auch der katholische Arbeiterverein 1907 und der Rabattsparverein
1914 kamen offenkundig in Reaktion auf die freien Gründungen der Sozialdemokraten
zustande. Dass sich die katholischen Arbeiter organisierten, muss trotzdem als beachtliche
Leistung gewertet werden, denn ihre Hechinger Pfarrherrn scheinen an sozialen
Fragen eher desinteressiert gewesen zu sein. Meinrad Mayer waren 1898 die Mehrheitsverhältnisse
im Vorstand der Arbeiterspeiseanstalt wichtig, und Kamill Brandhuber
musste 1907 fast dazu getragen werden, einem Arbeiterverein in seiner Gemeinde den
Segen zu geben. Die katholische Arbeiterbewegung war ein Stück Emanzipation in der
katholischen Kirche.

Die katholischen Arbeiter konnten den Zoller zu öffentlichkeitswirksamen Auftritten
nutzen und trafen sich in den von der Gemeinde anerkannten Vereinslokalen. Der Rückhalt
war groß genug, um ihren Vereinen Dauerhaftigkeit zu bescheren, auch wenn kein
ähnlich profilierter Arbeiterführer wie Georg Pfeiff zur Verfügung stand.

Irritierend wirken die katholischen Vorbehalte. Warum sich Religion und Selbsthilfe
nicht vertragen und ein treuer katholischer Arbeiter der Genossenschaft fern bleiben
muss, scheint heute schwer verständlich. Auch manch einer damals verstand das anscheinend
nicht und kaufte im Konsum ein. Der Verein war jedenfalls die einzige SPD-
nahe Organisation, die regelmäßig Anzeigen im Zoller aufgab - und das dort auch durfte.

Gemeinsamkeiten bestanden und wurden gesehen. Darauf deuten sowohl die Ansicht
des Textilarbeiters von 1906 hin, der die Nähe der freien Gewerkschaft zur Sozialdemokratie
bestritt, als auch die Äußerung des katholischen Arbeiters 1907, der freie
und katholische Gewerkschaften zusammen gegen die Missstände in den Betrieben auftreten
lassen wollte. Trotzdem standen sich beide Seiten unversöhnlich gegenüber. Das
Schisma, das die freie und die katholische Arbeiterbewegung in Hechingen schon bald
nach ihrer Entstehung trennt, ist dem Lagerdenken zuzuschreiben, das die Politik im
Kaiserreich stark polarisierte. In Hechingen hielt das Zentrum die SPD vom ersten Tag
an für einen gefährlichen Gegner. Nach der Jahrhundertwende wurde der Kampf für
die katholische Partei existentiell. Beide Lager kämpften in der dritten Steuerklasse. Die
Bildung eigener Gewerkschaften und Arbeitervereine war aus katholischer Sicht bittere
Notwendigkeit.

Weder die sozialdemokratischen Arbeiter, die das immerhin versuchten, noch die katholischen
schafften es im Kaiserreich, einen eigenen Vertreter in die Stadtverordnetenversammlung
zu hieven - anders etwa als Bodelshausen gleich nebenan. In Hechingen
fand die Arbeiterbewegung mit ihren Aktionen im Kaiserreich zeitweise zwar erheblichen
Aufmerksamkeitswert, in der Kommunalpolitik blieb sie aber ein eher unbedeutender
Faktor.

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