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Neues Schrifttum
stieg zur „reichsten Frau ihrer Zeit" begann, als sie das Patent als Faktorin am Fürsten-
bergischen Hof zu Donaueschingen erhielt. Ihre weitere Karriere ist schon zuvor an
anderen Stellen dargelegt worden: Faktorin am Hechinger Hof, ihre gegen den Widerstand
der Landschaft erreichte Etablierung am Hof des württembergischen Herzogs,
Kurfürsten und schließlich Königs Friedrich; eine einträgliche Verbindung, die ihr auch
den Weg nach Wien ebnete, wo sie dem Kaiser ebenfalls wertvolle Dienste leistete. Höhepunkt
und nachhaltigster Erfolg war dabei wohl die Gründung der Württembergischen
Hofbank im Jahr 1802, eine der ersten ihrer Art auf deutschem Boden.
Die Autorin stellt den Aufstieg Madame Kaullas anschaulich in die besonderen Rahmenbedingungen
des Spätabsolutismus im deutschen Südwesten: Die notorischen finanziellen
Probleme der kleineren und großen Höfe, verschärft durch die Wirren der
Revolutions- und später der Napoleonischen Kriege, die die Beschaffung großer Mengen
an kriegswichtigen Gütern erforderten. Dabei geraten mitunter die Schilderungen
der außen- und innenpolitischen Ereignisse (etwa der Kampf Friedrichs mit der württembergischen
Landschaft) etwas in den Vordergrund des Buches und die Biographie
Madame Kaullas tritt demgegenüber zurück. Das mag dem — wie die Autorin eingangs
darlegt - Mangel an spezifischen Quellen (das Archiv des Handelshauses etwa muss als
verloren gelten) geschuldet sein, der eine breit angelegte Darstellung der Geschäftstätigkeit
Madame Kaullas erschwert.
Doch wie die Autorin selbst schreibt (S. 13), ist ihr Buch „weit davon entfernt, die
Biographie der Chaile Kauila lückenlos rekonstruieren zu können." Dennoch gelingt
ihr ein lesenswerter Beitrag zu den drei „dem Thema immanenten Ansätze[n] Frauengeschichte
, jüdische Geschichte und Landesgeschichte" (S. 15). Der erste Aspekt steht
dabei durchaus im Vordergrund. Die Autorin verbirgt ihre Bewunderung für die vielfältigen
Talente Madame Kaullas, für ihre Fähigkeit, zugleich Mutter, Ehefrau, vor allem
aber erfolgreiche, selbstbewusste Geschäftsfrau in einer Männerwelt gewesen zu sein,
nicht. Fast könnte man meinen, dahinter stehe die Aufforderung an heutige Frauen,
Madame Kauila nachzueifern, sie als Vorbild zu sehen. Das erscheint legitim, so lange
die spezifischen Umstände, die einer jüdischen Geschäftsfrau im späten 18. und frühen
19. Jahrhundert den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg ermöglichten, genannt
werden. Und die Autorin tut dies, und sie weist auch ausdrücklich darauf hin,
dass Madame Kauila unter ihren Glaubens- und Geschlechtsgenossinnen eben auch
eine - wenn auch nicht die einzige - Ausnahme war.
Elsa Saile war ebenfalls eine Ausnahmeerscheinung. Aber von Erfolg, Reichtum und
der Gunst höchster Stellen war sie weit entfernt. Sie lebte ihr „etwas andere Leben"
eher am unteren Rand der Gesellschaft. Umso begrüßenswerter ist die von Ruth Stütze
am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaften der Universität Tübingen
entstandene Arbeit über die „Beuremer Elsa".
Elsa Saile wurde 1910 in Beuren bei Hechingen geboren. Offenbar war sie „erblich
belastet". Man munkelte von Inzucht von Seiten der Mutter, die aus dem nahen Ringingen
stammte. Elsa Saile war zweifellos in ihren geistigen Fähigkeiten eingeschränkt,
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