http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2009/0329
Neues Schrifttum
der Kauf der Schlossruine Werfenstein an der Donau in Niederösterreich, die in den
Folgejahren zum Neutempler-Stammsitz ausgebaut wird. Weitere Ordensniederlassungen
mit dem Status von Presbyteraten, Prioraten und Erzprioraten in Deutschland,
Österreich, Ungarn und möglicherweise auch in der Schweiz schließen sich an. Bereits
vor dem Ersten Weltkrieg und mit weiterem Zuwachs in der Zwischenkriegszeit präsentiert
sich der Neutemplerorden als hierarchisch gestufter, kryptischer Männerbund
mit insgesamt etwa 300 bis 400 „gesellschaftlich einflussreichen Kreisen" entstammenden
Mitgliedern (S. 39) und Lanz als Ideengeber und Leitfigur.
Ausgangspunkt des Lanzschen Weltbildes ist der biblische Sündenfall, den er als so-
domitische Vermischung der Gottmenschen des Paradieses mit affenartigen Wesen interpretiert
, durch welche wiederum die niederen Rassen der Menschheit, die
„Sodomsäfflinge" entstehen. Jesus, den Lanz gotisch Frauja nennt, war in Wirklichkeit
der Verkünder der Rassenreinheit und Begründer einer ariosophischen Kirche, die indessen
in der Folge ihrer rassischen Reinhaltungspflicht nicht nachkommt. Lanz hie-
rarchisiert die Menschen nach rassischen Kriterien dichotomisch in die Arier, „Asinge"
oder „Heldlinge" einerseits und die niederrassigen „Tschandalen", „Äfflinge", „Schrätt-
linge" und „Bolschi-Juden" andererseits. Sein besonderer Hass gilt den Juden, die er als
ein „aus allen Schlacken aller untergegangener Kulturvölker zusammengemischtes
Tschandalenvolk" bewertet. Unter den Lanzschen Begriffsschöpfungen findet sich bereits
die Bezeichnung „Untermenschentum" (S. 20) als Sammelbenennung für die „niederrassigen
" Menschengattungen.
Einen Ausweg aus der bestehenden rassischen Verwahrlosung sollen die gezielte
„Rückzucht" der gottähnlichen Menschen durch planmäßige Paarung von Trägern
hochwertiger Rassemerkmale sowie „asische Reinzuchtkolonien" auf dem Land mit der
Internierung von blonden „Reinzuchtmüttern" eröffnen. Während blonden und damit
rassisch wertvollen Männern mehrere Frauen zugestanden werden, bedarf das weibliche
Geschlecht der männlichen Kontrolle und Disziplinierung, gar der Internierung als
„Zuchtmütter". Gerade auch die höherrassischen arischen Frauen erscheinen Lanz als
leicht verführbar und in steter Versuchung, aus der natürlichen Herrschaft des Mannes
auszubrechen und sich mit sexuell aktiveren Niederrassigen zu paaren. Das „lüsterne
und geile Weib" erscheint ihm als „der uralte Bundesgenosse der Dunkel- und Urrassen"
(S. 29) - eine Gefahr, die es durch ein strenges männliches Regiment zu bannen gilt.
Den durchgehend negativ bewerteten Städten als Sümpfe des rassischen Niedergangs
stellt Lanz ein idealisiertes Landleben, eine naturgemäße Lebensweise mit fleischarmer
Kost, Sonnen-, Licht- und Luftkultur und nicht zuletzt eine konsequente Körperertüch-
tigung gegenüber. Den rassischen Feind- und Risikogruppen der Frauen, Juden,
„Neger", Mongolen und Bewohner des Mittelmeerraumes entsprechen im politischen
Bereich die Demokraten, Sozialisten, Bolschewisten und Kommunisten. Nach der Katastrophe
des Ersten Weltkriegs und dem Untergang der alten monarchischen Welt 1918
radikalisiert sich Lanz' Antisemitismus und wird eine „jüdisch-bolschewistisch-
freimaurerische Verschwörung" als kausal für alle Übel der Welt interpretiert (S. 23).
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