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Edwin Ernst Weber
früheren Sigmaringer Stadtbaumeisters Paul Kleck zufolge führte Siegfried Frank bis
etwa 1930 in der Karlstraße 31 ein Geschäftsbüro mit ein bis zwei Angestellten sowie
einem Lehrling.65
4. EIN NORMALES BÜRGERLICHES LEBEN
Auch wenn Siegfried Frank in geschäftlichen und behördlichen Unterlagen weiterhin
als Fabrikant firmiert,66 ist er seit etwa 1930 tatsächlich eher ein vermögender Privatier,
der von durchaus namhaften Miet- und Pachteinkünften aus einem umfangreichen Immobilienbesitz
namentlich in Konstanz, Sigmaringen, Laiz sowie weiteren Ortschaften
vor allem in Hohenzollern67 und darüber hinaus einem begrenzten Grundstückshandel
lebt. Zu den vermieteten oder verpachteten Gebäuden in Sigmaringen scheint
auch die nach dem Ende des Autohandeis gastronomisch wiederbelebte Wirtschaft
„Zum Kameraden" zu gehören.68 Auch das ausgedehnte Areal in der Karlstraße 31 mit
einem repräsentativen zweistöckigen Wohnhaus längs der Straße, dem dahinter gelegenen
dreistöckigen Saalbau sowie weiteren Nebengebäuden ist - neben der zu schildernden
Wohnnutzung durch die Familie Frank - zu großen Teilen an Mieter und gewerbliche
Nutzer vergeben. Den Erinnerungen von Willi Waidmann, Dr. Hansjörg
Krezdorn und Ekkehard Melk zufolge waren hier in den 1930er Jahren neben der Automobilhandlung
nebst Werkstatt von Ernst Müller auch die Nähmaschinenhandlung
Stöhr, die Strumpf- und Strickstube von Helene Melk, die Mietwäscherei Marquart und
nicht zuletzt eine Tankstelle zu fanden.6'
Die Wohnung von Siegfried und Emma Frank befand sich in dem mit einem Südbalkon
ausgestatteten ersten Obergeschoss des sog. Saalbaus. Mit zehn oder gar zwölf
Zimmern, darunter vier Schlafräumen teilweise mit Mahagoni-Möbeln, Wohn- und Herrenzimmern
, ledernen Clubsesseln, einem großen Bücherschrank und Perserteppichen
weist die Wohnung eine für damalige Sigmaringer Verhältnisse hochherrschaftliche
Qualität und Ausstattung auf.70 Unterstützt wird Emma Frank in der Haushaltsführung
von Dienstpersonal. Zusammen mit Regierungspräsident und Landrat sowie Dr. Dop-
fer gehört Siegfried Frank mit einem stattlichen Mercedes zu den wenigen, von den Kindern
der Anwohner bewunderten Autobesitzern in der Karlstraße.71 Ein- oder zweimal
65 Aussage Stadtbaumeister i.R. Paul Kleck (wie Anm. 29).
66 Als Beispiele Adreßbuch für Hohenzollern 1932, S. 43. - Adreßbuch für Hohenzollern 1935, S. 42. -
Frequenzlisten Staatliches Gymnasium Sigmaringen 1924-38 (wie Anm. 39).
67 Vermögensanmeldung von Siegfried Frank vom 30.4.1938 (wie Anm. 37).
68 Ermittlungsbericht der Zollfahndungsstelle Stuttgart vom 29.7.1937 (wie Anm. 64).
69 Zeitzeugenbefragung Willi Waidmann (wie Anm. 61). - Protokolle der Zeitzeugenbefragungen von Dr.
Hansjörg Krezdorn, Sigmaringen, vom 19.11.2010 und von Ekkehard Melk, Kusterdingen, vom
18.11.2010 (telefonisch) durch Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber (Kreisarchiv Sigmaringen).
70 Zusammenstellung der von Familie Frank eingebüßten Gegenstände sowie Schreiben von Rechtsanwalt
Fidelis Ott an das Landesamt für Wiedergutmachung Tübingen vom 4.6.1957 (Wiedergutmachungsverfahren
Siegfried Frank, wie Anm. 18).
71 Zeitzeugenbefragung Willi Waidmann (wie Anm. 61). Erwähnung findet der Mercedes auch in der Zusammenstellung
der einbebüßten Gegenstände (wie Anm. 70).
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