http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0025
Der Freudenstädter Taufstein und das Bietenhausener Tympanon
9 Bietenhausen (Gde. Rangendingen, Zollernalbkreis), kath. Pfarrkirche St. Agatha, Tympanon (Heidelberger
Akademie der Wissenschaften, Fotokartei der Forschungsstelle Deutsche Inschriften; Aufnahme:
Elke Schneider, 2001; alle Rechte vorbehalten).
hunderts vollständig ergänzen lässt.52 Danach lautete der Text auf der unteren Rahmenleiste
offenbar wie folgt:
[NAM • LACRIMIS • STRVIT • INSIDIAS • CVM >]FEMINA • PLORAT53
Ubers.: Denn immer wenn die Frau weint, legt sie mit ihren Tränen Fallstricke.
Beide Inschriften wurden als Hexameter verfasst und in Romanischer Majuskel ausgeführt
. Der obere Vers am Bogenrand weist überdies einen zweisilbigen Binnenreim auf
(PECCATOR - AMATOR), der hier zweifellos nach leoninischem Schema die Zäsur
(Penthemimeres) mit dem Versschluss verbindet. Daraus ergibt sich, dass am Beginn
ein vollständiger Versfuß fehlt, der entweder aus zwei langen oder aber aus einer langen
und zwei kurzen Silben bestand. Da der untere Vers mit NAM (denn) einsetzt und
52 Vgl. zur didaktischen Bedeutung und Überlieferungsgeschichte der Disticha Catonis im Mittelalter
Michael Baldzuhn und Christine Putzo (Hgg.): Mehrsprachigkeit im Mittelalter. Kulturelle, literarische
, sprachliche und didaktische Konstellationen in europäischer Perspektive. Mit Fallstudien zu den
„Disticha Catonis". Berlin 2011, S. 161-407. - Michael Baldzuhn: Schulbücher im Trivium des Mittelalters
und der Frühen Neuzeit. Die Verschriftlichung von Unterricht in der Text- und Uberlieferungsgeschichte
der „Fabulae" Avians und der deutschen „Disticha Catonis". 2 Bde. Berlin 2009 (Quellen und Forschungen
zur Literatur- und Kulturgeschichte 44). Bd. 1, passim, und Bd. 2, S. 922-995.
53 Ergänzung nach Disticha Catonis. Recensuit et apparatu critico instruxit Marcus Boas. Opus post
Marci Boas mortem edendum curavit Henricus Johannes Botschuyver. Amstelodami 1952, S. 178
Nr. III, 20: Conjugis iratae noli tu verba timere, nam lacrimis struit insidias, cum femina plorat. - Hans
Walther (Hg.): Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Lateinische Sprichwörter und Sentenzen
des Mittelalters in alphabetischer Anordnung. Teil 1. Göttingen 1963 (Carmina medii aevi posterioris La-
tina II/1), S. 363 Nr. 3103. - Otto Schumann (Hg.): Lateinisches Hexameter-Lexikon. Dichterisches Formelgut
von Ennius bis zum Archipoeta. 6 Teile. München 1980-1985 (MGH Hilfsmittel 4), Teil 2, S. 247.
17
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0025