Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
51/52(136/137).2015/16
Seite: 19
(PDF, 88 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0027
Der Freudenstädter Taufstein und das Bietenhausener Tympanon

Erläuterung. Denn auf die Behauptung, die Frau sei eine Gespielin des Todes (MORTIS
AMATOR), folgt die syntaktisch durch NAM eingeleitete und damit in einen logischen
Sinnzusammenhang gestellte Begründung, sie täusche und verführe den Mann
durch ihre Tränen. Daraus resultiert die Frage, warum gerade die postulierte Hinterlist
und Gefühlsheuchelei die Frau als Gefährtin des Todes ausweisen sollen. Die Antwort
ergibt sich aus der literarischen Verwendung der zwar auch anderweitig belegten, aber
durchaus nicht häufigen Begriffs Verbindung MORTIS AMATOR. Sie wird einerseits
im eigentlichen Wortsinn gebraucht und bezeichnet dabei die kühne Unerschrocken-
heit vor dem Tod, so beispielsweise in den Pharsalia des Lucan oder im Carmen de Deo
des Dracontius.59 Diese Bedeutung kann hier nicht in Betracht kommen, da der Kontext
eine pejorative Konnotation voraussetzt. In diesem Sinn steht die Junktur auch als
Synonym für den Teufel in seinen verschiedenen Erscheinungsformen, darunter vor allem
als Schlange. So bezeichnet unter anderem Caelius Sedulius in seinem Carmen Paschale
den überwundenen Widersacher Christi innerhalb eines Satzes als ille nocens an-
guis - als jene boshafte Schlange - und als nigrae mortis amator - als Freund des
schwarzen Todes.60 Ebenso spricht Arator in seinen Acta Apostolorum die male noxia
serpens - die üblen Schaden anrichtende Schlange - herausfordernd an und fragt sie,
warum sie als mortis amatrix - als Freundin des Todes, dessen Mutter sie sei - gegen die
Erlösten neue Kriege anzettele.61 Und in derselben Bedeutung findet sich der Begriff
auch in der Vita sancti Galli confessoris.62 Die Freundin des Todes galt demnach als Synonym
für die Schlange, die den Menschen am Baum der Erkenntnis verführt und zu
einem Sterblichen gemacht hat. Die Inschrift überträgt diese Rolle auf Eva, die im
Dienst der Schlange auch Adam dazu verleitete, vom Apfel zu essen. Aus dieser Perspektive
wird ersichtlich, warum der Verfasser der Inschrift die Charakterisierung der
Frau als AMATOR MORTIS mit emotionaler Heuchelei und Täuschungsabsicht begründen
konnte: Offenbar fungierte die Junktur für ihn lediglich als Begriffsersatz für
serpens oder anguis. Da dessen Verwendung nur in relativ wenigen literarischen Werken
belegt ist, lässt sich schlussfolgern, dass der Urheber der Bietenhausener Inschrift
zumindest mit einem davon vertraut gewesen sein dürfte.

59 Vgl. Marci Annaei Lucani de bello civili libri X. Edidit David R. Shackleton Bailey. Berolini 2009
(Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana 1502), S. 207 (VIII, 364). - Dracontius:
(Euvres. Tome 2: Louanges de Dieu. Livre III. Reparation. Texte etabli, traduit et commente par Claude
Moussy. Paris 1988 (Collection des Universites de France), S. 36 (3,421). - Siehe auch zu den folgenden
Angaben: Schumann, Lateinisches Hexameter-Lexikon (wie Anm. 53), Teil 3, S. 440.

60 Vgl. Sedulii opera omnia una cum excerptis ex Remigii expositione in Sedulii Paschale Carmen. Re-
censuit et commentario critico instruxit Iohannes Huemer. Editio altera supplementis aucta curante
Victoria Panagl. Wien 2007 (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum 10), S. 97 (IV, 93 f.).

61 Vgl. Aratoris subdiaconi historia apostolica. Cura et studio Arpäd P. Orbän. Turnhout 2006 (Corpus
Christianorum Series Latina 130), S. 396 (II, 1162).

62 Vgl. Vita sancti Galli confessoris. In: Poetae Latini aevi Carolini. Recensuit Ernestus Duemmler.
Tom. 2. Berolini 1884 (MGH Poetae 2), S. 428-473, hier S. 467 (Vers 1565).

19


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0027