http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0053
Die Dominikanerinnen und Dominikaner der Region Neckar-Alb
Fest steht nun jedenfalls, dass 1502 eine größere Gruppe von Dominikanerinnen
(zwischen 12 und 24 Schwestern43) aus dem elsässischen Obersteigen nach Stetten im
Gnadental umgesiedelt ist. Dies belegen unabhängig von Welz-Ruef oder Wilms auch
Uberlieferungen in den Archives departementales du Bas-Rhin in Straßburg.44
Doch dieser Transfer von Dominikanerinnen aus Obersteigen nach Stetten beschreibt
lediglich die Spitze eines sehr viel tiefer gründenden Sachverhaltes: Die vermeintlich
aus Obersteigen stammenden Schwestern kommen nämlich ursprünglich gar
nicht aus Obersteigen. Hang/Kraus haben bereits - ohne seltsamerweise dies irgendwie
weiter zu verfolgen - angesprochen, dass die Nonnen „1485 von Klingental-Basel dorthin
gekommen" seien.45 Welz-Ruef können ihrerseits die näheren Umstände deshalb
nicht erhellen, weil Augsburger Dominikaner in diese Sache tatsächlich nicht involviert
waren - wohl aber der dortige Bischof.
Die Zusammenhänge gestalten sich wie folgt:
Die Geschichte der observanten Reformierung Stettens beginnt im Oktober 1482.46
Zu diesem Datum erhält die noch zwölfköpfige Gruppe der so genannten „Reform-
43 Die Angabe zur Gruppengröße nach Wilms, Rintingen (wie Anm. 34), S. 12 und Renee Weis-Müller:
Die Reform des Klosters Klingental und ihr Personenkreis. Basel 1956, S. 45, 126.
44 Archives departementales du Bas-Rhin Strasbourg, Serie G 1380. - Daraus schöpfte Francis Rapp: Re-
formes et Reformation ä Strasbourg. Eglise et societe dans le diocese de Strasbourg (1450-1525). Paris 1974
(Collection de l'Institut des Hautes Etudes Alsaciennes 23), S. 365: «[...] une partie de la communaute,
sous la direction de son confesseur Thomas Lamparter, quitta cet asile precaire en 1502 et vint demander
l'hospitalite ä Stetten », wo bereits angegedeutet ist, dass die Schwestern ursprünglich nicht aus Obersteigen
kommen.
45 Vgl. Haug/Kraus, Urkunden (wie Anm. 39), S. 179.
46 Ganz aktuell hat Stefan Benz: Frauenklöster Mitteleuropas. Verzeichnis und Beschreibung ihrer Geschichtskultur
1550-1809. Münster 2014 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 160), S. 621 auf einen
„Schreibkalender" hingewiesen, der von einer „Gewittersage von 1483" berichte und mit der „Reformationsgeschichte
" verknüpft sei, wobei in diesem Kalender auch „die Beteiligten [...] namentlich
bekannt" seien. In diesem „Schreibkalender" (Alltages-Ordnung. Ein Querschnitt durch den alten Volkskalender
. Aus württembergischen und badischen Kalendern des 17. und 18. Jahrhundert, zusammengestellt
und erläutert von Jan Knopf, Tübingen 1982, ohne Paginierung, hier: Juli 1783) heißt es: „Anno 1483 hat
das Gewitter im Kloster Gnadental durch den Turm in den Chor geschlagen, worüber die Schwestern vor
Furcht zu Boden gefallen, und hat eine die andere wie tot aus demselben gezogen. Eine unter ihnen namens
Anna Fischer von Augsburg [...] hat man [...] tot aufgefunden. Und diese war eine von denen, so dieses
Kloster wieder in Ordnung gebracht hatten. [...] Graf Eberhard von Württemberg und Mompelgart [...]
nahm die Reformation des Klosters Gnadental in die Hand[...]".- Wie im Folgenden zu sehen sein wird,
kann diese Legende unmöglich das Kloster Stetten im Gnadental betreffen, wie Stefan Benz meint. Durch
den Umstand, dass es in Süddeutschland mindestens fünf „Gnadentäler" gab, darunter z.B. auch das im
Württemberigschen, doch bereits im Bistum Würzburg liegende Zisterzienserinnenkloster Gnadental oder
das Franziskanerinnenkloster Gnadental in der Nähe von Basel und in der angrenzenden Schweiz weitere
Klöster dieses Namens existierten, führt der Name von Stetten im Gnadental seit jeher und immer wieder
zu Verwechslungen. In diesem Fall belegt sich das dadurch, dass weder eine Anna Fischer, geschweige denn
ein „Eberhard von Württemberg" (gemeint ist Eberhard V, respektive der erste Herzog) an der „Reformation
", womit die Klosterreform gemeint ist, beteiligt war. Abgesehen davon erscheint mir die Sage vom
großen Klosterbrand im 15. Jahrhundert überhaupt sehr unwahrscheinlich; wenn es je einen Brand gegeben
hat, dann wird er mit der Zerstörung des Zollern in den 1420er-Jahren zusammenhängen oder als eine
Folge davon zu betrachten sein.
45
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0053