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Niklas Konzen
hards von Klingenberg gegen Graf Ulrich von Württemberg nähere Beachtung, dieser
habe ihn und Rechberg überhaupt erst zu der Fehde angestachelt, um ihnen dann in
den Rücken zu fallen. Beides zusammen weist darauf hin, dass die Ursachen der Fehde
einerseits im Verhältnis Klingenbergs und Rechbergs zu Württemberg zu suchen
sind, andererseits in ihrer Beziehung zu anderen Adligen oder Adelsgruppen, insbesondere
der Gesellschaft mit St. Georgenschild. Diese beiden Aspekte sollen im Folgenden
aus der Perspektive des Hauptakteurs der Fehde, Hans von Rechberg, näher beleuchtet
werden.
3.1 Hans von Rechbergs Verhältnis zu Württemberg und Österreich
Das Herrschaftsgebiet der Grafen von Württemberg war, wie andere regionale Herrschaftsgebilde
im Spätmittelalter, bekanntlich kein geschlossenes Territorium. Nur in
wenigen Kernbereichen konnten die Württemberger sämtliche Hoheitsrechte dauerhaft
in ihrer Hand vereinen, die man mit einem Territorialstaat verbindet. In der Peripherie
ihres Einflussbereichs waren die hoheitlichen Funktionen zwischen verschiedenen
Herrschaftsträgern aufgeteilt: anderen Fürsten, Reichsstädten, Klöstern und eben
dem Adel - Grafen, Freiherren und Edelknechten. Wollten die Württemberger ihren
Einfluss in diesen Randbereichen intensivieren, hatten sie im Umgang mit weniger
mächtigen Adligen verschiedene Möglichkeiten zu handeln. Sie konnten diese in ihre
Regierung einbinden und versuchen, sie durch Gewährung von Einflusspositionen am
württembergischen Hof oder durch Verleihung von Amtern in der württembergischen
Landesverwaltung für sich zu gewinnen und sie zu ihren Parteigängern und Verbündeten
zu machen. Sie konnten aber auch versuchen, diese Adligen durch Anwendung
von Gewalt oder zumindest machtpolitischem Druck zu verdrängen. Im 15. Jahrhundert
hatte Württemberg sich zum Beispiel durch seine Intervention in der Zollernfende
1420-23 oder in der Falkensteiner Fehde 1444 Möglichkeiten zum Erwerb adliger
Herrschaftsrechte verschafft. Aus adliger Perspektive war dies natürlich das Ergebnis,
das es zu vermeiden galt: Man strebte eine Einbindung an und versuchte eine Verdrängung
abzuwenden. Die Einbindung in die fürstliche Regierung war auch zugleich ein
Mittel, das Risiko einer Verdrängung zu minimieren, denn wer im fürstlichen Rat saß,
hatte Möglichkeiten, die Entscheidungen des Fürsten zu beeinflussen.33
Da ein Fürst keine beliebige Anzahl von Amts- und Ratspositionen zu vergeben hatte
, musste er gut abwägen, wem er diese Positionen übertrug - welche Herrschaftsträger
an den Rändern seines Einflussbereichs für ihn so wichtig waren, dass er sie unbedingt
für sich gewinnen wollte. Für den Adel bedeutete das eine Konkurrenzsituation:
Nur ein Teil der Adligen konnte sich eine Einflussposition an einem Fürstenhof erwerben
, und nur wem dies gelang, war vor Versuchen benachbarter Fürsten sicher, auf
seine Kosten territorial zu expandieren.34 Auf der anderen Seite waren Adlige aber auch
33 Vgl. Konzen, Aller Welt Feind (wie Anm. 1), S. 42-51 zum Verhältnis von Landesherr und Adligen,
S. 279-289 und 295-298 zu Württembergs Rolle in der Zollern- bzw. Geroldsecker Fehde und der Falkensteiner
Fehde.
34 So hat beispielsweise Hillay Zmora für den fränkischen Adel des 15. Jahrhunderts gezeigt, dass die
Nähe zu einem benachbarten Fürsten entscheidend für das politische Uberleben einer Adelsfamilie war.
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