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Niklas Konzen
gischen Hof in Stuttgart, obwohl dort einige Mitglieder seiner Familie Räte waren oder
gewesen waren.40 Stattdessen lehnte er sich zunehmend an das Haus Osterreich an: Er
engagierte sich in Kriegen gegen die Feinde der Habsburger, wurde österreichischer
Feldhauptmann im Alten Zürichkrieg (1443-1446) und nacheinander Rat der Herzöge
Albrecht VI. und Sigmund von Österreich. Jedoch endeten die Auseinandersetzungen
Österreichs mit den Eidgenossen in Niederlagen. Als Folge war das Haus Habsburg
als Schutzmacht seiner adligen Klientel in Südschwaben für einige Zeit kaum noch
handlungsfähig. Zudem beschädigten Streitigkeiten Rechbergs mit seinen Dienstherren
um offene Sold- und Unkostenforderungen das beiderseitige Verhältnis bis hin zu
Rechbergs Inhaftierung durch Herzog Albrecht VI. von Österreich in Freiburg im
Breisgau im Jahr 1449, was Rechbergs Dienste als Rat des Habsburgers ein für allemal
beendete.41
Dass dieser Ereignisverlauf Hans von Rechbergs Position gegenüber Württemberg
gefährdete, zeigte sich bereits kurz vor dem Ende des Alten Zürichkriegs. Beide Grafen
, in Stuttgart wie in Urach, setzten ihn unter Druck, seine Herrschaft Gammertin-
gen-Hettingen an sie zu verkaufen. Dazu instrumentalisierten sie Urteile des Hofgerichts
Rottweil, eines nominell reichsunmittelbaren Gerichts, dessen Richtergremium
teilweise durch Lehen oder Dienstverträge, zugleich aber auch durch Bündnisbeziehungen
der Reichsstadt Rottweil mit Württemberg verbunden war. Die Vorgehensweise
der Württemberger, insbesondere des Grafen Ludwig von Württemberg-Urach, lässt
sich vor allem in der Zeit zwischen 1420 und 1450 für eine ganze Reihe von Fällen dokumentieren
, die im wesentlichen folgendem Muster folgten: Die betroffenen Adligen
wurden zunächst vor dem Hofgericht Rottweil wegen finanzieller Forderungen verklagt
. Dabei konnte es sich um Schuldbriefe handeln, aber auch um strittige Erbansprüche
des Klägers oder, wie in Rechbergs Fall, um eine Bürgschaft, die der Beklagte
für einen Dritten übernommen hatte.42 Das Hofgericht verhängte daraufhin die Acht
über den Beklagten und erteilte dem Kläger die Anleite auf dessen Besitzungen, das
heißt, es erlaubte dem Kläger die Zwangspfändung von dessen Gütern und rief die Öffentlichkeit
auf, gegen den Geächteten vorzugehen bzw. dem Kläger bei der Durchsetzung
seiner Ansprüche zu helfen. Württemberg konnte sich nun auf verschiedene Weisen
die Gelegenheit verschaffen, dieses Zwangspfändungsrecht für sich zu nutzen.
Entweder ein württembergischer Diener erwarb erst finanzielle Ansprüche gegenüber
den Betroffenen, um dann eine Anleite des Rottweiler Hofgerichts zu erwirken und
schließlich seinen Anspruch an Württemberg weiterzuverkaufen. Oder ein württembergischer
Diener erwarb finanzielle Forderungen, die bereits per Gerichtsurteil mit einer
Anleite bewehrt worden waren. Oder ein Adliger, der vor dem Rottweiler Hofge-
40 Konzen, Aller Welt Feind (wie Anm. 1), S. 79, 83 f.
41 Vgl. Konzen, Aller Welt Feind (wie Anm. 1), S. 403.
42 Hans von Rechberg hatte nach dem Tod seines Vaters 1438 dessen Bürgschaft für eine Schuld der Familie
seiner Mutter, der Grafen von Helfenstein-Blaubeuren, übernommen, die sowohl bei anderen Adligen
als auch bei der Reichsstadt Ulm sowie Ulmer Juden umfangreiche Kredite aufgenommen hatte. Da
sich die finanzielle Situation der Helfensteiner im Lauf der Zeit eher verschlimmerte, wurde Hans von
Rechberg ab 1445 durch mehrere Gläubigerparteien für die Schulden seiner Verwandten haftbar gemacht
(Konzen, Aller Welt Feind [wie Anm. 1], S. 320-324, 337-342).
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