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Schulbildung und Lehrerstand auf dem Lande
Provisor angestellt gewesen waren. Die Provisorprüfung verlangte in § 18 die Anwesenheit
des weltlichen Prüfungskommissionsmitgliedes nicht.94
Die Dominanz der Kirche war überdeutlich. Ein liberal denkender Kandidat konnte
nur schwer eine hohe Notenstufe erhalten. Es kam für die Kandidaten daher darauf
an, im Religionsfache zu glänzen. Ohne weltlichen Beistand hatte der mögliche Provisor
sich diplomatisch zu verhalten, wenn er den Lehrerberuf ausüben wollte.
e) Die Elementarschule zwischen Kirche und politischer Gemeinde
Betrachtet man heute die damalige Ausformung der Elementarschule näher, drängt sich
der Gedanke auf, dass man auf einen innewohnenden Geist zu achten hätte und eine
Erziehung zum Dienen konstatieren müsse. Der Kirche war es vorbehalten, die Lehrinhalte
vorzuformulieren, die Lehrer und ihre Pädagogik zu überwachen und die Lehrmittel
auf ihre Eignung in moralischer und weltanschaulicher Hinsicht zu überprüfen.
Der politischen Gemeinde oblag es, die schulische Anstalt baulich und einrichtungsmäßig
zu unterhalten und die Handwerker zu bezahlen. Zur Lehrerbesoldung stellte
sie Geld zur Verfügung und die Staatskasse half mit ihrem Zuschuss dazu.
Die Strafgelder wurden auch in den Jahren der preußischen Regierung entsprechend
dem Gesetz von 1844 (§ 13-15) für das Fehlen in der Schule mit 3 Kreuzern und bei
der Christenlehre mit 6 Kreuzern erhoben.95 Wirtshausbesuche waren den jungen Leuten
unter 18 Jahren verboten, ebenso das Betreten von Tanzplätzen. Die Wirte waren
aufgefordert, die Schulpflichtigen und Sonntagsschüler aus dem Lokal zu entfernen
und bei der Polizei anzuzeigen. Die Strafe betrug für den Ausgewiesenen 1 Gulden
20 Kreuzer, wobei der ausweisende Wirt oder anzeigende Gast davon 40 Kreuzer bekam
. Ubersah der Wirt die Schulpflichtigkeit, so zahlte auch er 1 Gulden und 20 Kreuzer
Strafe. Der örtliche Schulfonds sollte immer die andere Hälfte der Strafe erhalten.96
Bailer kommentierte die hohenzollerischen Schulgesetze: Man hat zu bemerken gehabt
, daß ungeachtet der Ermahnung der Pfarrgeistlichen und Schullehrer die Schulkinder
von ihren Eltern und Vormündern mit strafwürdigem Leichtsinne in öffentliche
Wirthshäuser zu Hochzeiten, Brudertägen, Zunftversammlungen und auf Tanzplätze
geführt werden [...]. Die Eltern und Vormünder, welche an solchen Vorgängen Verschulden
tragen, und ihre Kinder in die Wirthshäuser geführt haben, sind den Aemtern
namhaft zu machen und auf jeden Vergehensfall mit einer Strafe von lfl. 20 kr. zu erheben
.97
Väter unehelicher Kinder mussten in den Fonds als Scortationsstrafen 5 Gulden einbezahlen
.98 Diese Bestimmung galt bereits seit 1824 in Hohenzollern-Sigmaringen und
94 Ebd., S. 357.
95 Bailer, Sammlung (wie Anm. 2), S. 58 (§ 61), S. 64-69 (§ 75-79). Die Vorschriften dieses Gesetzes datierten
schon aus dem Jahr 1833: Sammlung der Gesetze und Verordnungen für das Fürstenthum Hohenzollern
-Sigmaringen (wie Anm. 5), Bd. 3 (1833), S. 17f.
96 Ebd., S.104f. §61 und §158.
97 Ebd., S. 105 Anm. 3.
98 Ebd., S.327f. §332B und S.331 §15.
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