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Schulbildung und Lehrerstand auf dem Lande
durch die deutschen Lehrerherzen hindurchgeht und die Geringfügigkeit der dazu gebotenen
Mittel sie mit einem tiefen Wehe erfüllt. Vor allem enttäuschte sie das Bestreben
der aktuellen Politik, sie von dem politischen Gebiete und von der freien Berathung
über (ihre) eigensten Angelegenheiten, über die innere und äußere Umgestaltung der
Schule fernzuhalten. Der Beruf erheische von ihnen und sehe es als große Aufgabe, in
engeren und weiteren Kreisen zusammenzutreten, sich gegenseitig zu kräftigen und zu
erfrischen, ihre Angelegenheiten, die großen Uebelstände, an denen die Schule troz aller
Ableugnung und zum Unheile des Volks noch darniederliegt, in geeinter Kraft zu bera-
then, [...] und so der Weisheit der Regierungen einen Theil Desjenigen durchzuarbeiten
und vorzubereiten, was an der Stelle des Veralteten endlich Gesez werden soll. [...]
Nicht Mos das Verlangen nach einer besseren äußeren Stellung, ohne welche das Innere
nimmer gedeiht, sondern mehr noch eine heiße, heilige Sehnsucht nach einer besseren
Bildung, denn bisher, flammt es ununterdrückbar [...] in den edelsten Lehrerherzen empor
. [...] Es gilt nicht, wie die Verleumdung spricht, die Religion aus der Schule zu treiben
. [...] Es gilt nicht, die Schule von der Kirche zu reißen, - es gilt nur, der Schule, eng
verbunden mit der Kirche, auch dieser gegenüber endlich den Grad von Selbstständigkeit
zu gewähren, [...] den sie unweigerlich haben muß. Die freie Schule mit der freien
Kirche im engen Schwesterbunde, aber jede neben der anderen in ihrem sicheren Recht
[...] werden die rechten Männer und Frauen voll heiligen wahren Gottesgeistes erzie-
hen.m
Lehrer Beck von Betra hatte sich zusammen mit Pfarrer Josef Sprißler gegen die Ultramontanen
in der Kirche gewandt und sich Ärger mit dem Volksfreund in Sigmaringen
eingehandelt; das selbstständige und unabhängige Denken, was, wie oben zitiert,
gefordert wurde, war auch Becks Devise. Die Freiheit voranzustellen war der Wille der
demokratischen Lehrerschaft in den 1840er-Jahren. Sein weiteres Schicksal als Lehrer
ist wenig bekannt.
In Fischingen erwarb sich Provisor Michael Lehmann große Anerkennung. Doch
beabsichtigte die Regierung, ihn zu Anfang 1848 aus Fischingen zu entfernen. Deswegen
sprachen am 20. Januar die Bürger Gottfried Kreher, Peter Brünle und Philipp
Schellhammer im Oberamt in Glatt vor, um die „Nichtentlassung" des Provisors zu erreichen
.119 Wirklich blieb Lehmann als Provisor in Fischingen von 1847 bis 1853.120
Doch im Sommer endeten in Berlin die Freiheitsträume der Lehrer: Ein ministerieller
Erlass entließ fortschrittlich gesinnte Lehrer aus dem Dienst.121
b) Reformwille im Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen
Im Jahr der Revolution erschien 1848 ein Manifest mit dem Titel Die Volksschule und
die Volksschullehrer - Dem deutschen Volke und seinen Vertretern von den Lehrern des
118 Schwarzwälder Bote Nr. 247 vom 30.12.1849.
119 GemeindeA Fischingen, Beilagen zum Rechnungsband von 1847/48, Nr. 204, 213, 218.
120 Bruno Schwellinger: 1200 Jahre Fischingen 772-1972. Hg. von der Stadt Sulz am Neckar, Ortsverwaltung
Fischingen. Sulz am Neckar 1972, S. 203.
121 Clausnitzer, Geschichte des preußischen Unterrichtsgesetzes (wie Anm.l),21891,S.150.
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