http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0171
Schulbildung und Lehrerstand auf dem Lande
beaufsichtigen. Es ist daher kein Wunder, wenn der vorgesehene Unterricht ausfallen
musste.125
Wiewohl überall würden die Volksschullehrer den Orgeldienst und die Kirchen-
chorleitung hingegen sehr gerne übernehmen.
Die Lehrer in Hohenzollern hielten die geistlichen Schulaufseher für nicht geeignet,
Unterrichtsweisen und Umsetzung der Zielvorstellungen in den vorgesehenen Zeiträumen
kenntnisreich zu beurteilen. Sie möchten doch besser beim Religionsunterricht
bleiben, wofür sie allein als zuständig betrachtet wurden.
Die unglückliche Lage, in der sich die Lehrerschaft befinde, sei so umschrieben: Die
Kirche beaufsichtigt uns, insofern sind wir Kirchendiener; der Staat besorgt und überwacht
unsere Bildung [und] Anstellung und theilt sich in die Beaufsichtigung, insofern
sind wir Staatsdiener; und zuletzt zahlt uns die Gemeinde einen oft großen Theil unserer
Besoldungen aus und insofern sind wir Gemeinde dienert Und diese Lage wäre
auch daran schuld, wenn sich Lehrer charakterlich ins Negative veränderten.
Was die Lehrerschaft verändert sehen wollte, war dies:
1. Bei der Beratung von Schulangelegenheiten anwesend zu sein und mitzuwirken, da
sie doch wüssten, wovon sie reden. Der Lehrer des Ortes solle in der Lokalschulbehörde
stimmgebend sein, daneben soll diese Behörde aus dem Ortspfarrer, dem
Ortsvorsteher und zwei Gemeindeangehörigen bestehen. Ein Schulaufseher soll
wegfallen. In der darüber befindlichen Bezirksbehörde solle ein tüchtiger und praktisch
gebildeter Schulmann die öffentlichen Prüfungen und von Zeit zu Zeit die
Schulen seines Bezirkes besuchen. Er würde den jährlichen Schullehrerkonferenzen
vorstehen. An der Spitze der Schulbehörden habe die Oberschulbehörde zu stehen
.127
2. Die Lehrerausbildung müsse verlängert und vertieft werden, um eine Neugestaltung
der Schule zu ermöglichen. Zur Weiterbildung der Lehrerschaft wären Bibliotheken
zu gründen und Schulkonferenzen durchzuführen.
3. Die Besoldung müsse verbessert werden und durch den Staat und durch die Gemeinde
erfolgen, um die Unabhängigkeit des Lehrers zu gewähren. Diese Besoldung
solle ihn von den drückenden Nahrungssorgen befreien und sich nach dem Aufwand
für unsere Bildung und nach unserem Stande12* ausrichten.
4. Die körperliche Erziehung durch Turnunterricht in Turnschulen und durch
Schülerfeste sei unumgänglich notwendig.129 Es sind Mittel, der Schule mehr öffent-
125 Als preußische Volksschullehrer im Dezember 1871 Petitionen mit ihren Wünschen nach Verbesserungen
und Schulreformen an den König einreichten, verfassten sie auch ein Memorandum: Siehe dazu bei
W[übbe Ulrich] Jütting: Die ungenügende Besoldung der preußischen Volksschüler. In: Pädagogische
Sammelmappe, 16. Heft, Leipzig 1878, S. 118.
126 Die Volksschule (wie Anm. 122), S. 11 f.
127 Ebd., S. 26.
128 Ebd., S. 28.
129 Ein Schülerfest wurde in Sigmaringen auf den Sonntag, 29. September 1850 auf die Burgwiese gelegt
(Verordnungs- und Anzeigeblatt für das Fürstenthum Hohenzollern-Sigmaringen Nr. 26 vom 29.9.1850
[Beiblatt], S. 278). An diesem Fest sollten alle Elementarschüler teilnehmen. Vermutlich erfuhren die Schüler
erstmals preußische Bildungsziele und lernten preußisches Liedgut.
163
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0171