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Rolf Vogt
in Biberach Ende des Jahres 2014 veröffentlichte Sammelband „Eine Donau voll Blut,
ein Bodensee voll Tränen" bot Markus Fiederer, Fachberater am Regierungspräsidium
Tübingen und Archivpädagoge im Staatsarchiv Sigmaringen, die Gelegenheit, einen genaueren
Blick auf die katholische Volksschule Sigmaringen während des Krieges anhand
des Nachlasses ihres langjährigen Rektors Franz Keller zu werfen. Auch Fiederer
meint unvermittelt: „Die These der ,allgemeinen Kriegsbegeisterung' im August 1914
ist längst relativiert."14 Er konnte das behaupten, weil detaillierte Kenntnisse der Weltkriegszeit
in Hohenzollern bisher nicht abrufbar sind. Die Lücke ein Stück weit zu füllen
, ist Ziel dieser Arbeit.
1. DER WEG IN DEN KRIEG
Die hohenzollerische Zivilgesellschaft nach 1900 war militarisiert und kriegsbegeistert
wie der Rest des Kaiserreichs.
Hohenzollernsche Lande nannte sich der preußische Regierungsbezirk Sigmaringen
mit den Oberämtern Gammertingen, Haigerloch, Hechingen und Sigmaringen. Hier
lebten bei Kriegsausbruch etwa 72400 Menschen.15 Mitgliederstärkste Zusammenschlüsse
waren die Militär- oder Kriegervereine, in denen sich die Veteranen organisierten
, Geselligkeit pflegten und Erinnerungen an die Militärzeit wachhielten. Landesweit
an der Spitze stand der 1881 gegründete Hohenzollerische Kriegerbund, der
sich 1900 dem Preußischen Landeskriegerverband anschloss. Der Kriegerbund hatte
1912 in 97 Vereinen fast 6 800 Mitglieder - etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung
.16 Der Militärverein in Hechingen wurde 1914 von dem Stadtverordneten und
Gymnasialdirektor Friedrich Seitz geführt, der Sigmaringer von Hauptkassenbuchhalter
Adolf Ribler. Sigmaringen hatte sogar einen Militäranwärterverein unter der Führung
von Regierungs-Hauptkassenbuchhalter Wilhelm Bölsch. Der Verein ehemaliger
Angehöriger des Hohenzollernschen Füsilier-Regiments Nr. 40, sozusagen die jünge-
14 Markus Fiederer: Der Krieg als „Geschenk an die Jugend". Die Sigmaringer katholische Volksschule
im Ersten Weltkrieg. In: Jürgen Kniep (Hg.): „Eine Donau voll Blut, ein Bodensee voll Tränen". Oberschwaben
im Ersten Weltkrieg. Biberach 2014 (Biberacher Geschichte[n]. Kultur und Geschichte in Stadt
und Landkreis Biberach 2), S. 71-81, hier S. 77. - Ein halbes Jahr früher hatte Fiederer diese These sogar als
„längst widerlegt" bewertet, siehe Fiederer: „Genug geblutet für die großen Geldbeutel und Bluthunde"
(wie Anm. 12), S.51.
15 Wilfried Schöntag (Bearb.): Vom Bauern zum Gewerbetreibenden. Die Hohenzollerische Landesbank
und die wirtschaftliche Entwicklung in Hohenzollern. Ausstellung des Staatsarchivs Sigmaringen aus
Anlaß des 150-jährigen Bestehens der Hohenzollerischen Landesbank. Ausstellungskatalog. Sigmaringen
1984. S. 32. - Hermann Grees: Siedlung, Bevölkerung, Wirtschaft. In: Kallenberg, Hohenzollern (wie
Anm. 10), S. 307-359, hier S. 320.
16 Herbert Zander: Das Kriegervereinswesen in Preußen und Hohenzollern. Chronik einer untergegangenen
Vereinsform. In: ZHG49/50 (2013/14), S. 87-196, hier S. 168, 188. - Walter Sauter: Militärvereine
früher und jetzt. In: Hohenzollerische Zeitung Nr. 240 vom 17.10.1969. - Wolfgang A. Hermann
: „Ich bin nun Preuße - mögt Ihr meine Farben?". Hohenzollern orientiert sich neu. Die
Hohenzollern auf ihrem Weg von aufmüpfigen Untertanen zu preußischen Jubelpatrioten. Berlin 2012,
S. 129.
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