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Hungerjahre und Kriegsgewinne
nahm.23 In Hechingen fasste der Bund Anfang 1913 unter der Führung von Oberzollkontrolleur
Karl Rixecker Fuß. Er veranstaltete im Jahreslauf mehrmals Kriegsspiele
und zum Völkerschlachtjubiläum eine patriotische Kundgebung im Hof der Burg Ho-
henzollern.24
„Darstellungen des Heldentums" und Kriegsgeschichten wurde vom preußischen
Unterrichtsminister große erzieherische Wirkung beigemessen. Der Buch- und Zeitschriftenmarkt
war übersät mit Abenteuerliteratur, die den Krieg verherrlichte. Sie
wurde vom jugendlichen Publikum mit Begeisterung aufgesogen.
Das letzte Stadium der Kriegsvorbereitung erreichte das Deutsche Reich mit der
Heeresvermehrung 1913. Zwei Armeekorps mit knapp 120000 zusätzlichen Soldaten
sollten neu gebildet werden. Die Vorlage war gekoppelt an den sogenannten Wehrbeitrag
, einer einmaligen Besitzsteuer. Herangezogen wurden Vermögen von mehr als
10 000 Mark und Jahreseinkommen von mehr als 5 000 Mark. Jahreseinkommen von
Arbeitern - etwa in den Hechinger Fabrikbetrieben - lagen damals bei 1100 bis
1200 Mark: Die Reichen sollten dem Reich bei der Aufrüstung helfen. Der Reichstag
winkte beide Gesetze durch - mit wechselnden Mehrheiten. Bei der Heeresreform
stimmten die Konservativen zu und die Sozialdemokraten dagegen, bei der Vermögenssteuer
war's gerade anders herum. Die Einkommensteuer-Veranlagungskommissionen
, die den Oberämtern unter dem Vorsitz der Oberamtmänner angegliedert waren
, übernahmen die Aufgabe, die Steuer einzutreiben. Zusammen kamen in der Stadt
Hechingen 53 000 Mark und in ganz Hohenzollern 695 293 Mark. Das Oberamt Sigmaringen
trug - wohl dank des fürstlichen Vermögens - den überproportional hohen
Anteil von 581 185 Mark.25
In Hechingen machten sich Aufrüstung und Heeresreform als Hoffnung bemerkbar
, eine Garnison in die Stadt holen zu können. Oberamt und Regierung unterstützten
die Pläne, der Reichstagsabgeordnete Dr. Emil Beizer, Zentrumspolitiker und
Amtsgerichtsrat in Sigmaringen, trug den Wunsch am 20. März 1909 im Reichstag vor.
Obwohl das Preußische Kriegsministerium im April 1912 abwinkte, sammelte eine
Bürgerinitiative in Hechingen 887 Unterschriften unter eine Bittschrift an Kaiser Wil-
23 Hohenzollerische Volkszeitung Nr. 168 vom 29.7.1912. - Hohenzollerische Blätter Nr. 169 vom
30.7.1912, Nr. 176 vom 7.8.1912.-Zoller Nr. 169 vom 31.7.1912, Nr. 179 vom 12.8.1912.-Fotos des Sigmaringer
Treffens in: StAS Dep 41 (Nachlass Gewerbeschuldirektor Anton Bumiller) T1 Nr. 111-114. -
Allgemein zur außerschulischen Jugenderziehung im Kaiserreich vgl. Brigitte Naudascher: Freizeit in
öffentlicher Hand. Behördliche Jugendpflege in Deutschland von 1900-1980. Düsseldorf 1990, S. 32-41,
168-172; Christoph Schubert-Weller: „Kein schönrer Tod ...". Die Militarisierung der männlichen Jugend
und ihr Einsatz im Ersten Weltkrieg 1890-1918. Weinheim und München 1998 (Materialien zur Historischen
Jugendforschung).
24 Hohenzollerische Blätter Nr.32 vom 10.2.1913, Nr. 134 vom 14.6.1913, Nr. 136 vom 17.6.1913,
Nr. 242 vom 21.10.1913. - Zoller Nr. 134 vom 14.6.1913, Nr. 136 vom 17.6.1913, Nr. 242 vom 21.10.1913.
- Der Hechinger Jungdeutschlandbund fühlte sich der Pfadfinderbewegung verpflichtet und nannte sich
Pfadfinderverein Jungdeutschland.
25 Reichsgesetzblatt Nr. 41 vom 12.7.1913, S. 496-498 (Heeresvermehrung), 505-521 (Wehrbeitrag). -
StAS Ho 235 (Preußische Regierung Sigmaringen) T3 Nr. 70: Immediat-Zeitungsberichte, Allgemeines
(1867-1918). - Auszug in: Schöntag, Vom Bauern zum Gewerbetreibenden (wie Anm. 15), S. 102. - Die
1891 in Preußen eingeführte Einkommensteuer wurde in Hohenzollern seit der Gemeindereform 1900 erhoben
. Die Freibeträge waren damals (vergleichsweise) höher als heute.
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