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Hungerjahre und Kriegsgewinne
den Namen nicht mehr tragbar und nannte sich um in Deutscher Hof.37 Das Kloster
Beuron sah sich gezwungen, in die Öffentlichkeit zu gehen. Erzabt Ildefonsus Schober
brandmarkte Anfang August 1914 im Donautal offenbar kursierende Gerüchte als böswillig
und unwahr. Das Kloster und seine Mönche würden sich an Vaterlandsliebe und
Treue gegen Kaiser und Reich von keinem deutschen Ehrenmann übertreffen lassen, erklärte
er in einer Anzeige in der Hohenzollerischen Volkszeitung.38 Gegen die Trikotindustrie
Hechingen Buggle & Wiek leitete das Landgericht Hechingen im Oktober
1914 nach einer Anzeige des Bürgermeisteramts eine Voruntersuchung ein, um zu klären
, ob das Unternehmen Textilien illegal nach England ausführe. Die Beschuldigungen
bewahrheiteten sich nicht.39 Ruhe! Ruhe! Ruhe!, riefen die Hohenzollerischen Blätter
ihre Leser schon früh zu Besonnenheit auf.40
Spione und Devisenschieber wurden gesucht. Autos auf den Durchgangsstraßen waren
verdächtig, weil der zivile Autoverkehr außerhalb geschlossener Ortschaften seit
dem Kriegsrecht verboten war. Wir wurden über vierzig Mal visitiert, beschrieb Friedrich
Wallishauser eine Autofahrt nach Stuttgart am 5. August 1914. Die sonst eineinhalb
Stunden lange Fahrt habe geschlagene vier Stunden gedauert.41 In einigen Gemeinden
entstanden Bürger- oder Einwohnerwehren, um die vermeintlich gefährdete
öffentliche Sicherheit zu stabilisieren und den Verkehr auf den Straßen zu kontrollieren
. In Sigmaringen übernahm der Freiwilligenverband den regelmäßigen Wacht-
Dienst bei Tag und bei Nacht auf Initiative der Stadtverwaltung, Hechingen hatte einen
offenbar ohne städtisches Zutun gebildeten Sicherheitsdienst. In Neustraße, Bahnhofstraße
, Tübinger Straße und am Brielhof wurden mit Wagen Straßensperren errichtet,
um Autofahrer auf der Durchfahrt zu kontrollieren - die Wächter mit geladenem Gewehr
schußbereit, berichtete Friedrich Wallishauser. Alte Herren mit dem Mausergewehr
auf Nachtposten beobachtete die Hohenzollerische Volkszeitung in Sigmaringen.
Sie empfahl, das Augenmerk auch auf Radfahrer zu wenden, die als Arbeiter verkleidet
sind, da diese Geld nach Rußland überbringen sollen*2 Die auf den ersten Blick unkontrolliert
um sich greifende Spionenhatz wurde von staatlicher Seite maßgeblich gefördert
, wenn nicht sogar in Gang gesetzt. Der preußische Innenminister in Berlin
ordnete die Festnahme von Personen, die der Spionage und des Landesverrats verdächtig
waren, telegraphisch am 3. August 1914 an. Oberamtmänner und Polizeibehörden
wurden von der Regierung in Sigmaringen umgehend in Kenntnis gesetzt.
37 Hohenzollerische Blätter Nr. 176 vom 5.8.1914, Nr. 193 vom 26.8.1914. - Von der Suche nach Spionen
in Damenkleidern wird auch aus anderen Gegenden berichtet, siehe Kuhn, Als der Krieg vor der Haustür
stand (wie Anm. 7), S. 42 f.
38 Hohenzollerische Volkszeitung Nr. 181 vom 10.8.1914.
39 StAS Ho 235 (Preußische Regierung Sigmaringen) T13-15 Nr. 734: Vermischtes, volkswirtschaftliche
und andere Maßnahmen infolge der Weltkriege (1913-1915).
40 Hohenzollerische Blätter Nr. 176 vom 5.8.1914.
41 Hohenzollerische Blätter Nr. 178 vom 7.8.1914, Nr. 186 vom 18.8.1914.
42 StAS Ho 13 (Oberamt Hechingen) Tl Nr. 833: Errichtung von Einwohnerwehren. - StAS Dep. 1
(Stadtarchiv Sigmaringen) T3-4 Nr.330: Völkerkrieg, Bd. 1 (1914-1915). - Hohenzollerische Blätter
Nr. 186 vom 18.8.1914. - Hohenzollerische Volkszeitung Nr. 178 vom 6.8.1914. - Vgl. Scharf, Sigmaringen
im Ersten Weltkrieg (wie Anm. 11), S. 33.
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