http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0208
Rolf Vogt
der Entscheidung seines Kronrats. Fürst
Wilhelm in Sigmaringen war empört. Er
wies seine Beamten an, ihre rumänischen
Orden abzulegen. Wirksamere Möglichkeiten
, seine Entrüstung zum Ausdruck
zu bringen, standen ihm offenbar nicht
zur Verfügung. Verrat im Haus Hohen-
zollern: eine Tragödie mit klassischen Dimensionen
. Schwächlicher Zollernspross
nannten die hohenzollerischen Zeitungen
Ferdinand. Von jemandem, der sich erst
katholisch und dann noch russisch-orthodox
trauen lasse, sei nicht viel zu erwarten
.88
Die Zäsur im Reich markiert Ende August
1916 die Übernahme der Obersten
Heeresleitung durch Generalfeldmarschall
Paul von Hindenburg und General
Erich Ludendorff. Das anscheinend
hauptsächlich von Ludendorff formulierte
sogenannte Hindenburg-Programm
und das von General Wilhelm Groener
geleitete Kriegsamt entstanden. Ziel war Ferdinand von Hohenzollern, König von Rumä-
die bessere Nutzung des verbliebenen nien (Foto: Wikipedia).
Wirtschafts- und Arbeitspotenzials. Der
totale Krieg begann.
Erstes Ergebnis war der Vaterländische Hilfsdienst oder Kriegshilfsdienst. Am
5. Dezember 1916 nahm der Reichstag das Kriegshilfsdienstgesetz an. Danach waren
die nicht eingezogenen Männer vom 17. bis zum 60. Lebensjahr zum Dienst in der Rüstungsindustrie
und in kriegswichtigen Einrichtungen verpflichtet.89 Ein großangelegtes
Personalkarussell setzte sich in Bewegung. Das neue Kriegsamt des XIV. Armeekorps
in Karlsruhe vermittelte Stellen im Heer, das im März 1917 errichtete
88 Hohenzollerische Blätter Nr. 198 vom 30.8.1916. - Zoller Nr. 197 vom 30.8.1916, Nr. 198 vom
31.8.1916. - StAS FAS HS 1-80 T10 (Fürstlich Hohenzollernsches Haus- und Domänenarchiv: Nachlass
Fürst Wilhelm von Hohenzollern) Nr. 23: Unterredungen Fürst Wilhelms mit dem Kabinettssekretär und
Abgesandten des rumänischen Königs Bassel in Sigmaringen. - Vgl. Michael Kroner: Die Hohenzollern
als Könige von Rumänien. Lebensbilder von vier Monarchen 1866-2004. Heilbronn 2004, S. 81-84. -
Ferdinand heiratete Prinzessin Maria von Großbritannien und Irland am 10. Januar 1893 in Sigmaringen
standesamtlich sowie nach römisch-katholischem und anglikanischem Ritus. Von einer orthodoxen Trauung
ist nichts bekannt. Das Kronprinzenpaar verpflichtete sich nur, seine Kinder orthodox taufen zu lassen
(freundliche Mitteilung Birgit Meyenberg). - Ahnlich wie bei den Hohenzollern-Füsilieren war Wilhelm
Chef des rumänischen 3. Infanterie-Regiments Dimbovitza Nr. 22, siehe Adress- und
Geschäfts-Handbuch für die Hohenzollern'schen Lande 1914 (wie Anm. 17), S. 158 f. Wie diese Liaison
endete, ist nicht bekannt.
89 Reichsgesetzblatt Nr. 276 vom 6.12.1916, S. 1333-1339.
200
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0208