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Rolf Vogt
Ein Gutteil des Bargelds wurde dem Kreislauf wieder entzogen. Wucherer und
Schwarzhändler horteten, und der Kaufkraftüberhang wanderte in die Sparbücher. In
ihrem Rechenschaftsbericht für 1917 stellte die Spar- und Leihkasse für die Hohenzol-
lernschen Lande eine große Geldfülle und einen geringe[n] Geldbedarf fest. Die Einlagen
wuchsen, Darlehen waren kaum gefragt. Die Geldkonzentration bei den Banken sei
nicht ohne Bedenken, heißt es in dem Bericht der Spar- und Leihkasse.122
Kleine Banknoten und Münzen, mit denen der größte Teil privater Geschäfte beglichen
wurden, waren am Ende des Krieges knapp. Die Kleingeldnot begann früh. Im
Dezember 1915 forderte das Innenministerium in Berlin die nachgeordneten Behörden
auf, zur Beschleunigung des Umlaufs beizutragen und auf die schnellere Leerung von
Münz-Automaten zu drängen, 1916 mussten die Volksschullehrer ihre Schüler ermuntern
, die Heimsparbüchse zügig zu leeren. Oberamtmann Philipp Longard in Sigmaringen
empfahl 1917, die Vertrauensleute für die Werbung der Kriegsanleihe bei ihren
Vorträgen und Besuchen auf das Schädliche des Aufhäufens von Zahlungsmitteln - für
den Besitzer wie für das Reich - hinweisen zu lassen, Hechinger Fabrikanten gingen
dazu über, Pfennig-Beträge der Löhne auf den Folgezahltag zu übertragen. Im Februar
1918 richtete die Stadtvertretung Hechingen diesbezüglich einen förmlichen Appell
an die Fabrikanten. In der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Kriegs verzichtete sie
vorerst auf die Beschaffung von Notgeld.123 Fünf Monate später sahen die Stadtverordneten
keinen Ausweg mehr. In zwei Sitzungen am 18. Juli und 1. August 1918
stimmten sie der Einführung von Kriegsnotgeld und der Beschaffung von 40 000 Münzen
zu 50, zehn und fünf Pfennig durch die Stuttgarter Münzprägeanstalt Mayer &
Wilhelm zu. Als Sicherheit musste ein gleicher Betrag bei der Reichsbank hinterlegt
werden. Endlich, kommentierten die Hohenzollerischen Blätter die Entscheidung. Mitte
September setzte die Stadtkasse die ersten achteckigen Münzen in Umlauf. Im Oktober
war das Geld weg. Die Stadt bestellte neue Münzen nach.124 Sigmaringen machte
es ähnlich. Die Gemeindevertretung beschloss die Einführung am 17. Juni 1918, Mitte
bis Ende August 1918 kam das Notgeld mit Münzen zu fünf und zehn Pfennig sowie
50 Pfennig in Form eines Scheins in Umlauf.125 Die Spar- und Leihkasse beschaffte
Kriegsersatzgeld mit Banknoten zu zehn, 20 und 50 Mark im Gesamtwert von einer
Million Mark. Den Beschluss fasste der Hohenzollerische Landesausschuss am 4. No-
122 Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Sigmaringen, Beilage zu Nr. 32 vom 17.8.1918. —
Hohenzollerische Blätter Nr. 189 vom 19.8.1918.
123 StAS Dep. 1 (Stadtarchiv Sigmaringen) T3-4 Nr. 330: Völkerkrieg, Bd. 1 (1914-1915). - StAS Dep. 1
(Stadtarchiv Sigmaringen) T3-4 Nr.331: Völkerkrieg, Bd.2 (1916-1920). - Hohenzollerische Blätter
Nr. 204 vom 8.9.1917, Nr. 39 vom 15.2.1918.
124 Hohenzollerische Blätter Nr. 165 vom 19.7.1918, Nr. 176 vom 2.8.1918, Nr.208 vom 10.9.1918,
Nr. 247 vom 25.10.1918. - Zoller Nr. 165 vom 19.7.1918, Nr. 176 vom 2.8.1918, Nr.208 vom 10.9.1918,
Nr. 247 vom 25.10.1918.
125 Hohenzollerische Volkszeitung Nr. 189 vom 18.6.1918, Nr. 184 vom 10.8.1918, Nr.200 vom
30.8.1918. - Hohenzollerische Blätter Nr. 141 vom 20.6.1918, Nr. 184 vom 12.8.1918, Nr.200 vom
31.8.1918. - Michael J. H. Zimmermann: „Solche Narrheit sollt' allein für alle Zeit unsterblich sein".
Sigmaringer Kriegsnotgeld erzählt Geschichte(n) vom besseren Leben - mit Gott. In: HH64 (2014),
S. 23-24.
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