Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
51/52(136/137).2015/16
Seite: 214
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Rolf Vogt

Die sogenannten Kriegsgewinnler waren in der zweiten Hälfte des Weltkriegs öffentlich
Gegenstand der Diskussion. Schon 1915 schrieben die Hohenzollerische Blätter
, in Hechingen erziele eine Firma den außerordentlich hohen Tagesgewinn von
1 600 Mark.132 Über Daimler in Untertürkheim und die Stuttgarter Geschäfte der Ostjuden
redete schließlich das ganze Reich. Ab 1916 wurden Spitzeneinkommen und Unternehmensgewinne
mit der Vermögenszuwachssteuer zu außerordentlichen Kriegsabgaben
herangezogen.133 In Hechingen rief Bürgermeister Anton Häußler im Herbst
1918 vor allem die zu Spenden in die städtische Kriegshilfskasse auf, denen der Krieg
Nutzen gebracht hat, und die Hohenzollerischen Blätter schrieben vom Dickeverdienen
, das die Menschheit in einen wahren Taumel versetzt. Stadtpfarrer Dr. Konstantin
Holl ärgerte sich - allerdings privat in seiner Pfarrchronik - über die Fabrikantin Klara
Buggle als eine Frau, der durch Kriegsgewinne ihr Geldsack mächtig angeschwollen

' 1 34

sei.

Kaufkraftüberhang und Kriegsgewinne zeitigten ein fast kurioses Nebenergebnis:
Der Tourismus boomte. Hotels, Gasthäuser mit Fremdenzimmern und Pensionen waren
mit Dauergästen belegt, den sogenannten Kurfremden. Das Oberamt Hechingen
untersagte mit Polizeiverordnung ab September 1917 Besuche mit mehr als drei Wochen
und Gastwirten die Vermietung von mehr als der Hälfte ihrer Betten an Dauergäste
.135 Die Kurfremden standen in Verdacht, nicht nur Erholung auf dem Land zu
suchen. Ihnen eilte der Ruf voraus, auf den Bauernhöfen gegen gutes Geld Nahrungsmittel
aufzukaufen.136

Zu den Verlierern des Kriegs zählten auf lokaler Ebene die Amtsverbände. Sie muss-
ten die Sozialleistungen des Reichs vorfinanzieren und die Kosten der Nahrungsmittelbewirtschaftung
tragen. Der Haushalt des Amtsverbands Hechingen kletterte in den
Jahren des Kriegs auf das Siebenfache. Der letzte Vorkriegshaushalt 1914 umfasste in
Einnahmen und Ausgaben ein Volumen von 139 815,81 Mark, 1918 bewegte sich der
Etat bei 964 767 Mark.137 Weil Amtsversammlungen und Oberamtmänner sich schwer
taten, die Höhe der Umlagen anzutasten, musste der Haushalt mit dem Rückgriff auf

132 Hohenzollerische Blätter Nr. 273 vom 25.11.1915.

133 Reichsgesetzblatt Nr. 136 vom 25.6.1916, S. 561-572 (Kriegssteuergesetz), Nr. 73 vom 12.4.1917,
S. 349-352, Nr. 101 vom 31.7.1918, S. 964-974. - Erdmann, Der Erste Weltkrieg (wie Anm. 81), S. 194.

134 Hohenzollerische Blätter Nr.216 vom 19.9.1918, Nr.235 vom 11.10.1918. - Holl, Chronik der
Stadtpfarrei Hechingen III (wie Anm. 78), S. 279 f.

135 Hohenzollerische Blätter Nr. 196 vom 30.8.1917. - Die erlaubte Aufenthaltsdauer wurde 1918 auf vier
Wochen verlängert und 1919 auf eine Woche verkürzt, siehe Hohenzollerische Blätter Nr. 149 vom
1.7.1918; Zoller Nr. 145 vom 27.6.1919, Nr. 165 vom 21.7.1919, Nr. 169 vom 26.7.1919. - Eine Sonderform
des Fremdenverkehrs waren in den Sommermonaten 1917 und 1918 die organisierten Ferienaufenthalte
von Stadtkindern. Im Oberamtsbezirk Hechingen/Haigerloch fanden in den beiden Jahren 722 und
241 Kinder Gasteltern, ähnliche Zahlen weisen Sigmaringen und Gammertingen auf. Die Ferienkolonie in
Inzigkofen beherbergte jeweils 24 Kinder, vgl. Waldenspul, Die Heimatfront (wie Anm. 49), S. 32f.

136 Hohenzollerische Blätter Nr. 169 vom 24.7.1918, Nr. 170 vom 26.7.1918, Nr. 238 vom 15.10.1918. -
Vgl. Reiser, Chronik der Stadt Hechingen, Bd. 2 (wie Anm. 26), S. 24. - Im Bodenseeraum hießen die Kurfremden
Stopfkurgaste, siehe Peter Eitel: Der Erste Weltkrieg in Oberschwaben - ein Uberblick. In:
Kniep, „Eine Donau voll Blut, ein Bodensee voll Tränen" (wie Anm. 14), S. 45-68, hier S. 54.

137 Hohenzollerische Blätter Nr. 67 vom 23.3.1914, Nr. 70 vom 25.3.1918.

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