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Hungerjahre und Kriegsgewinne
te eine nach Zeitungsangaben zuständige Stelle - wahrscheinlich das Oberamt - am Ende
der Aktion fest.161
Schleichhandel und Wucher waren unter Strafe gestellt, konnten von Polizei und
Justiz aber zu keinem Zeitpunkt wirksam unterbunden werden. 1915 berichteten die
Hohenzollerischen Blätter mit anscheinend erzieherischer Absicht mehrmals über
Strafprozesse, in denen staatsanwaltschaftlich festgestellte Höchstpreisüberschreitungen
und die Verheimlichung von Vorräten abgeurteilt wurden. In der Regel kamen die
Delinquenten mit Geldstrafen davon, auch wenn die Staatsanwaltschaft Gefängnisstrafen
beantragte. Das Oberamt Hechingen versprach im Mai 1915 bei der neuerlichen
Erfassung der Mehl- und Getreidevorräte Straffreiheit für die Nachmeldung bisher
hinterzogener Waren.162 Am Ende des Kriegs wurde der Justiz in Hohenzollern nachgesagt
, Verstöße gegen die Militärgesetze eher milde zu bestrafen. Insbesondere Schöffengerichte
und Laienrichter seien selten zu hohen Strafen zu bewegen, meinte 1919
der Hechinger Oberamtmann Paul Paehler.163 Angesichts der sozialen Herkunft von
Schleichhändlern und Laienrichtern zeigt sich hierin eine kriegsbedingte Form von
Klassenjustiz.
7. ZENSUR UND VOLKSAUFKLÄRUNG
Presse- und Meinungsfreiheit waren mit dem Kriegsrecht aufgehoben, die Grenzen
setzten die Sprachregelungen des Heeres.
Seit November 1914 waren allgemein jede deutschfeindliche Kundgebung sowie [die]
Verbreitung unwahrer Nachrichten über den Krieg verboten, im Oktober 1917 untersagte
das Stellvertretende Generalkommando in einer ausführlicheren Verfügung 1.
fjjede böswillige, für die öffentliche Ruhe und Ordnung, für die Machtstellung oder für
das Ansehen des deutschen Reiches oder eines Bundesstaates schädliche oder sie gefährdende
Kundgebung; 2. fjjede Verbreitung unwahrer Nachrichten über den Krieg, die
deutsche Kriegführung oder erhebliche wirtschaftliche Vorgänge. Gedroht wurde mit
Strafen bis zu einem Jahr Gefängnis.164
Die Verbote standen nicht nur auf dem Papier. Im November 1917 ordnete das Stellvertretende
Generalkommando die polizeiliche Überwachung öffentlicher Versammlungen
an, um sicherzustellen, dass Erörterungen zur Kriegführung unterblieben. Der
Kampf- und Siegeswillen unseres Volkes solle geschützt werden, hieß es in der Verfügung
. Die Oberamtmänner mussten regelmäßig direkt nach Karlsruhe berichten. Gen-
161 Hohenzollerische Blätter Nr. 186 vom 14.8.1918. - Schulchronik von Ringingen, S. 100. Die Schulchronik
ist nur in einer um 1980 angefertigten Abschrift in Privatbesitz erhalten, freundliche Mitteilung
Helmut Unmuth.
162 Hohenzollerische Blätter Nr. 30 vom 6.2.1915, Nr. 37 vom 15.2.1915, Nr. 58 vom 11.3.1915, Nr. 95
vom 26.4.1915, Nr. 103 vom 5.5.1915, Nr. 104 vom 6.5.1915.
163 Zoller Nr. 107 vom 10.5.1919.
164 Amtsblatt der Königlich Preußischen Regierung zu Sigmaringen Nr. 41 vom 13.10.1917, S. 233. - Hohenzollerische
Blätter Nr. 168 vom 24.7.1915, Nr. 234 vom 13.10.1917, Nr. 229 vom 4.10.1918. - Zoller
Nr. 236 vom 16.10.1917.
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