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Christine Dölker
Bauzeitung noch den am Wettbewerb teilnehmenden Architekten die genaue Adresse
des Bauplatzes bekannt war.
Die Bauordnung von Washington ist recht allgemein gehalten und läßt weiten Spielraum
. Die Einteilung des Stadtgebietes nach Bauklassen fehlt vollkommen.71 Und so
genügte es der Deutschen Bauzeitung, die am Wettbewerb teilnehmenden Architekten
vor allem auf zwei Vorschriften hinzuweisen, welche die Ausnutzung des Bauareals
und die maximale Gebäudehöhe betrafen. Da es sich bei dem Neubau mehr um einen
Prachtbau als einen Nutzbau mit Parkanlage, das heißt in erster Linie um eine Residenz
handeln und damit das Gelände nicht komplett überbaut würde, lag das Hauptaugenmerk
des Beitrages auf der in Washington D. C. erlaubten maximalen Höhe.72
Die S Street zählte zu den Wohnstraßen und ließ bei einer Breite von 90 Fuß
(27,43 Meter) eine Gebäudehöhe von 24,4 Metern zu. Es ist nun die Frage, ob man damit
rechnen kann, daß die benachbarten Gebäude diese Höhe [von 24,4 Metern] erreichen
werden oder schon besitzen. In den älteren vornehmen Wohnvierteln herrscht der
Landhausstil vor [...], jedoch scheint in den Ausschreibungsunterlagen darauf hingewiesen
worden zu sein, dass die Möglichkeit der Errichtung hoher Nachbarschaftsgebäude
hart an den Grenzen nicht ausgeschlossen sei.73 Die Deutsche Bauzeitung versuchte
daher durch Bereitstellung entsprechenden Bildmaterials den Architekten
verschiedene Häusertypen (etwa sogenannte Tenement Houses), deren Erscheinungsformen
in unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Botschaftsbau zu rinden sein würden
, vorzustellen. Dass der Repräsentationsbau des Kaiserreiches optisch einer Mietskaserne
gleichen sollte, erschien indes unwahrscheinlich.
3.3 Henselmanns Entwürfe
Hatte die Deutsche Bauzeitung Anfang Juni 1913 angesichts der Bedeutsamkeit und
des Ausmaßes der gestellten Aufgabe eine Fristverlängerung von wenigstens vier Wochen
gefordert, so gewährte Mitte Juli Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg
einen Aufschub von zwei Wochen, die vielfach gewünschten Ergänzungen und
71 Ebd., S. 480.
72 1899 hatte der 55. Kongress erstmals ein Gesetz verabschiedet, das vor dem Hintergrund der Stahlbauweise
die Gebäudehöhe für das gesamte Stadtgebiet beschränken sollte. 1910 war dieses Gesetz durch
den 61. Kongress modifiziert und am 1. Juni 1910 als An Act To regulate the height of buildings in the Dis-
trict of Columbia verabschiedet worden. Aus Gründen des Brandschutzes wurde die Maximalhöhe, je nach
Funktion des Gebäudes, auf folgende beschränkt: 15,2 Meter (nicht feuersichere Wohn- und Krankenhäuser
), 18,3 Meter (nicht feuersichere Geschäftsgebäude) und 39,6 Meter (feuersichere Geschäftsgebäude);
Kirchen waren von dieser Regel ausgeschlossen. Für Wohngegenden galt indessen laut Abschnitt 5 des Gesetzes
eine maximale Höhe von 25,9 Meter inkl. Dach oder (wie für das gesamte Stadtgebiet Washingtons
gültig) die Straßenbreite, an der das Gebäude stehen würde, wobei die Gebäudehöhe, mit Ausnahme jener
Straßen von maximal 18,3 Metern Breite, generell 3,05 Meter geringer sein sollte. Zu den 1913 für Washington
gültigen Bauvorschriften vgl. sog. „Height of Buildings Act of 1910", veröffentlicht u.a. hier:
Homepage der National Capital Planning Commission (NCPD), Washington D. C.: http://www.ncpc.gov/
ncpc/Main%28T2 %29/About_Us%28tr2 %29/About_Us%28tr3 %29/HeightofBldgsl910.pdf, abgerufen
am 20.2.2015).
73 Deutsche Bauzeitung XLVII. Jahrgang Nr. 53 vom 2.7.1913, S. 480.
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