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Aufenthaltsrecht auch für Zigeuner?
eben Erwerbes bemüht haben, und welche sich über ihre Person nicht genügend ausweisen
können. Als weitere typische Delikte waren aufgelistet:Weiden von Vieh auf
fremden Grundstücken, Entwendung von Bodenerzeugnissen, Anzünden von Feuer
im Walde, Entführung Minderjähriger, Diebstahl, unberechtigtes Fischen, Bettelei, Vernachlässigung
der Kinder, unbefugte Ausübung des Wandergewerbes, unbefugte Mitnahme
von Begleitern bei Ausübung des Wandergewerbes, Fälschung von Legitimationspapieren
.
Diese Anweisung zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens bildete die Voraussetzung
für den Gewinn genauerer Informationen über die das Land durchziehenden Zigeuner,
wobei man sich offensichtlich am bayerischen Vorbild orientierte.50 Mit einem differenzierten
Fragebogen erhob man persönliche Informationen, die der erkennungsdienstlichen
Erfassung dienten: Name, Vorname, Geburtsort, Wohnort, Aufenthaltsort
, Art der Ausweispapiere samt Ausstellungsort und -behörde, Staatsangehörigkeit
sowie besondere Kennzeichen. Für die Jahre 1906, 1907, 1908 und 1910 existieren solche
gedruckten Verzeichnisse der Zigeuner, welche in Hohenzollern angetroffen wurden
.51 In den verfügbaren Listen zählte man zwischen 1906 und 1910 pro Jahr jeweils
zwischen zwei- und dreihundert durch Hohenzollern ziehende Zigeuner. Sofern ihre
Staatsangehörigkeit, womit die Herkunft aus einem der Länder des deutschen Reiches
gemeint war, vermerkt war, stammten die meisten (mitunter fast die Hälfte) aus Württemberg
. Die zweite Stelle, in wesentlich geringerer Anzahl, nahmen elsässische Zigeuner
ein. Dann folgten preußische, hessische (hessen-nassauische), bayerische und badische
Zigeuner, teilweise auch in etwas anderer Reihenfolge. Die Verzeichnisse zeigen,
dass echte ausländische, also außerhalb des deutschen Reiches beheimatete Zigeuner,
Hohenzollern in jenen Jahren kaum durchwanderten, mit Ausnahme eines österreichischen
Zigeuners, der im Verzeichnis für 1910 genannt ist. Die Verzeichnisse sind
wertvolle Quellen für die Geschichte einzelner Familien und einzelner Personen, für
die bevorzugten hohenzollerischen Orte und Lagerplätze, schließlich auch für die Zeiten
, zu denen Zigeuner das Land durchzogen.52 Es fällt auf, dass die hier zur Frage stehenden
Orte damals wenig frequentiert wurden, Bisingen und Steinhofen überhaupt
nicht, Hechingen nur ausnahmsweise. Die meisten der in den Listen erfassten Personen
hatten einen festen Wohnsitz. Da sie aber in ihren oft kleinen Heimatorten nicht genügend
Arbeit fanden, versuchten sie, ihren Lebensunterhalt auf traditionelle Weise als
reisende Händler, Wanderhandwerker oder Musiker zu bestreiten. Weil sie in manchen
Bereichen als Konkurrenten empfunden wurden und sich ihre Lebensweise immer
stärker vom Lebensstil der Mehrheitsgesellschaft abhob, suchte man sie mit weiteren
Maßnahmen zu disziplinieren. So band der preußische Innenminister die Erteilung von
50 Vgl. Alfred Dillmann: Zigeuner-Buch. Hg. zum amtlichen Gebrauche im Auftrage des K. B. Staatsministeriums
des Innern vom Sicherheitsbureau der K. Polizeidirektion München. München 1905. - Vgl.
Stephan Bauer: Von Dillmanns Zigeunerbuch zum BKA. 100 Jahre Erfassung und Verfolgung der Sinti
und Roma in Deutschland. Heidenheim 2006.
51 Sie lagern in der Hohenzollerischen Heimatbücherei Hechingen (HBH K449), jeweils mit dem Vermerk
„Präsidialzimmer", was ihre Wichtigkeit unterstreicht. - Zu Entwürfen dieser Verzeichnisse vgl.
StAS Ho 13 T1 Nr. 824, wo sich auch einige der gedruckten Verzeichnisse mit handschriftlichen Ergänzungen
finden.
52 Eine Ubersichtskarte würde zeigen, dass Rastplätze nahe an den Landesgrenzen bevorzugt wurden.
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