Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
51/52(136/137).2015/16
Seite: 333
(PDF, 88 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0341
Aufenthaltsrecht auch für Zigeuner?

wurden schließlich mit Rekurs auf ältere Bestimmungen in Steinhofen wie in anderen
hohenzollerischen Orten eine Polizeiverordnung und ein Ortsstatut zur Regelung der
Zigeunerfrage verkündet.56 Danach war das Lagern von Zigeunern und nach Zigeunerart
herumziehenden Personen (Schirmflicker, Siebmacher u. s. w.) sowie das Aufstellen
von Wagen und Gerätschaften auf der Gemarkung Steinhofen nur auf dem von der
Ortspolizeibehörde ausgewiesenen Platz und nur für die Dauer von 24 Stunden gestattet
. Bei Zuwiderhandlungen drohte eine Geldstrafe von 90 Mark oder drei Tage Haft.
Das Ortsstatut, das nach Auslage und öffentlicher Verkündigung am 15. April 1922 in
Kraft trat, verordnete ein Standgeld von 5 Mark für den Quadratmeter, das allerdings je
nach Leistungsfähigkeit und Art des Gewerbes bis auf 1 Mark/qm ermäßigt werden
konnte.

1927 wurde mit einem Runderlass des preußischen Innenministeriums vom 4. Februar
die Fingerabdrucknahme bei allen über sechsjährigen nicht sesshaften Zigeunern
und nach Zigeunerart herumziehenden Personen verfügt mit der Auflage, die darüber
erhaltene Bescheinigung stets mit sich zu führen. Sofern der Behörde ein Fotoapparat
zur Verfügung stand, sollten auch je 3 Lichtbilder von den über 18 Jahre alten Personen
angefertigt werden.57

Während der Weimarer Republik setzten sich die staatlichen Repressionen gegen die
Zigeuner fort. Es ist symptomatisch, dass die Weimarer Demokratie trotz der nun in
der Verfassung verankerten Grundrechte in praxi keine Gleichbehandlung der Zigeuner
erbrachte. Nun waren sogar Stimmen zu vernehmen, deren menschenverachtende
Schärfe die kommende „Ausmerze"-Politik bereits erahnen lässt.58 Der einschlägige
Artikel im Handbuch des Schwindels aus dem Jahr 1922 spülte Vokabeln aus dem Wörterbuch
des Unmenschen an die Öffentlichkeit, die man gemeinhin erst nach 1933 erwartet
. Mit entlarvenden Weiterverweisen auf die Artikel Untermenschen^ Bettler und
Strolche war da zu lesen: Zigeuner, landfreie Untermenschen, bodenloses Unvolk, Menschengemülle
, Zw eih ander ab fall.59 Wer schrieb so etwas? Es war der schriftstellernde
Volksschullehrer Otto Gerhard Seeliger, der mit seinem 1958 verfilmten Bestseller Peter
Voss, der Millionendieb mit O. W. Fischer in der Hauptrolle bis heute unvergessen
ist. Seeligers vernichtende Urteile entstammen dem inhumanen Wortschatz, der sich
bereits in den rassenhygienischen Traktaten seit dem 19. Jahrhundert angedeutet hatte.
In diesen Schriften teilten die Rasselehrer die Menschheit in erhaltenswerte Rassen ein,
die es zu schützen, ja zu optimieren gelte, und schlechte Rassen, mit denen man sich
nicht vermischen dürfe und deren Vermehrung zu stoppen sei.60 Auch wer nicht so unmenschlich
dachte, verband in der Zeit zwischen den Weltkriegen mit Zigeunern diffuse
Ängste, die in der Bevölkerung weit verbreitet waren und von der Politik und den
Medien geschürt wurden. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Zigeuner kamen, wie ei-

56 Vgl. StAS Ho 13 T1 Nr. 824.

57 Höhne, Zigeunergesetze (wie Anm. 48), S. 124-127.

58 Detlev Peukert: Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren
unter dem Nationalsozialismus. Köln 1982.

59 Ewald Gerhard Seeliger: Handbuch des Schwindels. Frankfurt a. M. 1986, S. 282.

60 Vgl. Paul Münch: „Rassenreinheit". Zu Geschichte, Inhalt und Wirkungen eines anthropologischen
Axioms. In: Peter Burschel/Christoph Marx (Hgg.): Reinheit. Wien/Köln/Weimar 2011, S. 421-461.

333


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0341