Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
51/52(136/137).2015/16
Seite: 352
(PDF, 88 MB)
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Paul Münch

zu feiern.130 Die Gruppe ließ sich nicht in der ,Sonne' nieder, sondern zog, weil Klink
mit einem von ihnen im Streit lag, zunächst in den Bisinger ,Löwen', kehrte aber kurz
vor Mitternacht nach Steinhofen zurück. Die Zeit bis zur Polizeistunde, die auf zwei
Uhr angesetzt war, verbrachten die Zigeuner im ,Kaiser'. Dort saßen sie friedlich beieinander
, tranken, ließen sich von Geigenmusik unterhalten, bezahlten auch ordentlich
die Zeche. Als die dreißig Mann starke Zigeunergruppe mit der Polizeistunde den,Kaiser
' verließ, traf sie auf junge Steinhofener, die im gegenüberliegenden ,Lamm' gefeiert
hatten und nun, wie auf dem Dorfe üblich, noch auf der Straße herumstanden. Die einheimischen
Burschen provozierten die aus dem Kaiser strömenden Zigeuner mit den
Worten: Wir wollen doch mal sehen, ob man euch nicht aus dem Ort bringt. Dann begannen
sie, die Zigeuner in Richtung Kühler Grund, also zur württembergischen Grenze
, zu jagen, wo deren Wagen standen. Während der lautstarken Schlägerei, die bei Regen
und in stockfinsterer Nacht stattfand, warf man allerhand Unrat nacheinander.
Laut den Hohenzollerischen Blättern sollen jedoch auch Pflastersteine und Prügel eingesetzt
worden sein.131 Verletzt wurde aber niemand. Als Hauptschuldiger an dieser Zigeunerschlacht
galt der daran unbeteiligte Sonnenwirt Klink, dem man vorwarf, mit
der Beherbergung der Zigeuner auf seinem Gelände die Voraussetzung für die Schlägerei
erst geschaffen zu haben.132

Die Schlägerei in der Silvesternacht war ein Fanal. Der Bisinger NS-Gruppenleiter
Straub bat am 5. Januar 1935 den Landrat, Schritte einzuleiten, dass die Zigeuner von
Steinhofen verschwinden.133 Die angefügte Drohung war unmissverständlich: Sollte es
nicht möglich sein, durch die Behörde die Zigeuner fortzubringen, sind wir leider gezwungen
zur Selbsthilfe zu greifen. Nun handelte Landrat Schraermeyer. Am 21. Januar
beauftragte er den Bisinger Gendarmen Simon, die seit Anfang Dezember 1934 bei
Klink stehenden drei Zigeunerwagen abzutransportieren.134 Der Steinhofener Bürgermeister
forderte zwei Tage später Sebastian Reinhardt, Katharina Kreuter und Barbara
Röder auf, die Gemarkung Steinhofen binnen drei Tagen zu verlassen. Als keine Reaktion
erfolgte, schritt man am Samstag, dem 26. Januar 1935 zur Tat. Die Bisinger Gendarmerie
schob die auf dem Gelände Klinks abgestellten Zigeunerwagen mit Hilfe der
Feuerwehr über die württembergische Grenze nach Engstlatt. Das wollte man sich im
Württembergischen nicht gefallen lassen. Die Baiinger Landjäger transportierten sie
umgehend auf Steinhofener Markung zurück. Dabei warf die Engstiatter Polizei einen
Wagen um, der neben der Landstrasse liegen blieb. Tags darauf, am Sonntag, wurden
die Zigeunerwagen, angeblich im Auftrag Klinks, wieder zurückgebracht, in der Nacht

130 Vgl. StAS Ho 13 T1 Nr. 826 (Bericht des Landjägermeisters Bellgardt vom 11.1.1935).

131 Hohenzollerische Blätter vom 4.1.1935.

132 Der Sohn des ,Lamm'-Wirts schrieb als Reaktion auf den Presseartikel in den Hohenzollerischen Blättern
einen Leserbief, der allerdings (wohl wegen seiner gehässigen Ausfälle) nicht veröffentlicht wurde.
Darin versuchte er dem Kaiserwirt, dem nächsten Konkurrenten seines Vaters, eine Mitschuld an der Zigeunerschlacht
zuzuschieben, weil er die Zigeuner in seinem Lokal hatte feiern lassen. Laut diesem Brief
sollen nicht dreißig, sondern sogar fünfzig Zigeuner an der Schlacht beteiligt gewesen sein. Vgl. StAS Ho 13
Tl Nr. 826 (4.1.1935).

133 StAS Ho 13 Tl Nr.826 (5.1.1935).

134 Das Folgende nach StAS Ho 13 T1 Nr. 826 (Bericht des Gendarmen Simon vom 31.1.1935).

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