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Paul Münch
geuner ausging, argumentierte der Verfasser im Sinne der Nürnberger Rassegesetze, Zigeuner
seien gar keine Deutsche, durch ihre Adern fließe slawisches, kein deutsches
Blut. Noch schlimmer: Unter Zigeunern fänden sich sogar viele rein jüdische Typen.
Ihre ganze Lebenseinstellung zeige jüdischen Charakter, [...]. Scheu vor körperlicher
Arbeit, Freude am Handeln und Feilschen, Unreinlichkeit und dazu noch vielfach eine
hemmungslose Sexualität. Ihr Nomadenleben und das sorgfältige Verbergen etwaigen
Besitztums verrate ebenfalls semitischen Einschlag.1^
Wenige Tage später, am 22. Februar 1936, beschworen die Hohenzollerischen Blätter
das Gespenst einer auf den ganzen Kreis Hechingen lawinenartig zurollenden Zigeunerplage
. Erneut schrieben sie der Region den zweifelhaften Ruf eines durch die
dichten Wälder und die nahe württembergische Grenze begünstigten zigeunerischen
Eldorados zu.147 Eine Zigeunerplage entdeckten sie nun auch in Rangendingen, wo sich
an dem Waldeck bei der Abzweigung der Lindichstraße bereits ein gefährliches kleines
Zigeunerdorf gebildet habe. Eine ähnliche Konzentration befürchteten sie an der Landstraße
von Hechingen nach Bodelshausen vor der Abzweigung nach Sickingen. Anfang
März setzte der Schwarzwälder Bote, der die Mär von den 70 Zigeunern in Steinhofen
sofort aufgriff, das Gerücht in die Welt, man wolle dort von privater Seite (gemeint war
natürlich Klink) auch noch 10 Siedlungshäuser für Zigeuner erstellen. Es drohe die Gefahr
, dass in Hohenzollern bald ganze Zigeunerdörfer entstünden.148 Man müsse hart
durchgreifen. Dies sei wegen der geänderten Lage für die Behörden nicht so einfach,
doch diese würden bestimmt auch diese Fragen über kurz oder lang lösen.
Der Weg zu einer solchen „Lösung" war tatsächlich nicht mehr so leicht zu beschreiten
, wie man sich das zuvor gedacht hatte. Man habe nun, klagte der Hechinger
Landrat Schraermeyer, den absurden Zustand, dass im Jahre 1936, in welchem im Reich
die Grenzpfähle gefallen sind, in Hohenzollern den Zigeunern nicht beizukommen ist,
weil für uns die Entscheidung des Preuß. Oberverwaltungsgerichts massgebend ist,
während die Zigeuner im benachbarten Württemberg und Baden nach wie vor als lästiges
Volk abgeschoben werden könnten.149 Der Hechinger NSDAP-Kreisleiter Dr.
Theodor Johannsen meinte im gleichen Sinne, das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes
sei vielleicht rechtlich in Ordnung, tatsächlich aber spräche es den in Hohenzollern
auf diesem Gebiet herrschenden Verhältnissen geradezu Hohn.150
146 Die Behauptung, dass Zigeuner von den Juden abstammten, begegnet bereits seit dem ausgehenden
17. Jahrhundert. - Vgl. hierzu Wolfgang Wippermann: Wie die Zigeuner. Antisemitismus und Antiziga-
nismus im Vergleich. Berlin 1997; Vera Kallenberg: Von „liederlichen Land-Läuffern" zum „asiatischen
Volk". Die Repräsentation der ,Zigeuner' in deutschsprachigen Lexika und Enzyklopädien zwischen 1700
und 1850. Frankfurt a. M. 2010, S. 62-65.
147 Hohenzollerische Blätter vom 22.2.1936. - Der Landrat hatte schon früher die geographische Lage
des Kreises Hechingen, der an 7 württembergische Oberämter grenze, für das grassierende Zigeunerunwesen
verantwortlich gemacht (Gemeindearchiv Bisingen, Nr. 1281 [28.6.1935]).
148 Schwarzwälder Bote vom 2.3.1936. - Vgl. hierzu auch Gemeindearchiv Steinhofen, Nr. 561 (Schreiben
des Steinhofener Bürgermeisters vom 16.3.1936 und vom 2.8.1937 sowie Klinks Schreiben vom
27.5.1938 an die Ortspolizeibehörde Bisingen, wo er sich vom Bau der Siedlungshäuser distanziert).
149 StAS Ho 13 T1 Nr. 826 (Konzept vom 25.2.1936).
150 Gemeindearchiv Steinhofen, Nr. 561 (Undatierter Entwurf eines Schreibens an die Gauleitung der
NSDAP in Stuttgart, wohl März 1936).
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