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Paul Münch
Gesuch hob auf die Gefahr engster Verflechtung der in den Fall verwickelten Persönlichkeiten
und Behörden ab, wodurch Verwaltung, Rechtssprechung und Polizeibehörde
in eine peinliche Lage gekommen seien. Da der Angeklagte seine den Landrat
betreffende Behauptung zurücknehme und der Landrat die Strafverfolgung nicht aus
dem Gesichtspunkt der falschen Anschuldigung, sondern der Beleidigung verlangt habe,
baten Klinks Anwälte um Straferlass, ersatzweise um Umwandlung der Freiheitsstrafe
in eine Geldstrafe, jedenfalls aber um bedingte Strafaussetzung. Doch Klinks Gnadengesuch
wurde von der Hechinger Oberstaatsanwaltschaft nach einigem Hin und Her
am 22. Dezember 1936 abgelehnt.159 Danach entzog sich Klink dem Zugriff der Polizei
und tauchte unter. Obgleich man ihn steckbrieflich suchte und auch da und dort gesehen
haben wollte, scheint er über Monate unauffindbar geblieben zu sein. Erst am
7. Mai 1937 konnte der Gesuchte abends in seiner Steinhofener Wohnung verhaftet
werden.160
5.6. Kuppelei, Spionage und Konzessionsentzug
Nach der empfindlichen Niederlage durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts
suchten die staatlichen Behörden im Schulterschluss mit der NSDAP Klink und die Zigeuner
auf anderen Wegen los zu werden. Da an dem höchstrichterlich bestätigten Aufenthaltsrecht
für Zigeuner nicht zu rütteln war, suchte man das Ziel indirekt zu erreichen
. Ansatzpunkte der neuen Strategie waren Vorwürfe der Kuppelei, der Spionage
und der schlechten Wirtschaftsführung. Wenn es gelang, Klink die Konzession für seine
Wirtschaft zu entziehen und Missstände in den von ihm vermieteten Wohnungen
nachzuweisen, könnten sich vielleicht alle Probleme mit einem Schlag lösen lassen.
Tatsächlich war Klink, weil er in der ,Sonne' angeblich auch an nicht verheiratete
Personen vermietete, mehrfach dem Vorwurf der Kuppelei ausgesetzt gewesen, war
aber, weil man ihm nichts nachweisen konnte, in einem Prozess vor dem Hechinger
Schöffengericht vom 12. Dezember 1935 freigesprochen worden.161 Doch die Beschwerden
in diese Richtung nahmen kein Ende. Hauptadresse des Kuppeleivorwurfs
war natürlich die ,Sonne' selbst, weil es in und vor der Wirtschaft immer wieder zu
nächtlichen Tumulten und Ruhestörungen kam, bei denen angeblich auch Weiber eine
Rolle spielten. Doch man raunte im Dorf auch von Dirnentum in drei Zigeunerwägen
im Läppischen, woran sogar Ehemänner beteiligt seien. Weil der angebliche Sündenpfuhl
auf diesem Klink gehörenden Grundstück in der Nähe der Kirche vermutet wurde
, war das Gerücht besonders anstößig.162 Die Situation eskalierte, als in der Nacht
vom 30. auf den 31. Juli 1937 einige betrunkene Gäste Klinks auf der Straße vor der
,Sonne' lautstark randalierten.163 Am 2. August richteten empörte Nachbarn deswegen
159 Klinks Reise nach Berlin, um bei den höchsten Parteistellen wegen des ihm geschehenen Unrechts
vorstellig zu werden, kann hier nicht dargestellt werden. - Vgl. StAS Ho 13 T1 Nr. 836 (Schreiben des Hechinger
Landrats an das Gouvernement Militaire in Hechingen vom 23.6.1947).
160 StAS Ho 13 T1 Nr. 826 (Gendarmerie Hechingen an den Landrat vom 11.5.1937).
161 StAS Ho 13 T1 Nr. 836 (Urteil vom 12.12.1935).
162 Pfarrarchiv Steinhofen, Pfarrchronik, S. 276. - Vgl. zur Ortlichkeit Anm. 118.
163 Gemeindearchiv Steinhofen, Nr. 561 (Bericht des Gendarmerie-Hauptwachtmeisters Rutzke vom
25.8.1937).
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