Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
51/52(136/137).2015/16
Seite: 360
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0368
Paul Münch

auch die Presse, vielleicht eine Reaktion auf die Steinhofener Vorfälle. Keine Vermischung
mit Zigeunern! titelten die Hohenzollerischen Blätter ganz im Sinne Robert
Ritters.167 Da aus Verbindungen Deutschblütiger mit Zigeunern [...] nachweislich ganze
Kreise von Asozialen und Degenerierten entstanden seien, galten Zigeuner nicht bloß
in alter Tradition als moralisch defiziente Menschen, sondern als biologische Mängelwesen
: Bei Zigeunern handelt es sich um einen biologischen Fremdkörper, auf dessen
zerstörenden Einfluß unser blut- und rassemäßig harmonisch gestalteter Volkskörper
zwangsläufig mit Entartung antworten muß.168 Durch Seßhaftmachung, Strafen und
Erziehungsversuche habe man in der Vergangenheit die schlechten Gewohnheiten dieser
Parasiten nicht abstellen können. Wirksamere Maßnahmen seien nötig, insbesondere
eine rassenpflegerisch ausgerichtete Zigeunergesetzgebung, welche die Unmöglichkeit
einer blutlichen Vermischung mit Zigeunern gewährleiste.

Die NS- Rassenlehre hatte die Zigeuner, die das Oberverwaltungsgerichtsurteil noch
als vollwertige deutsche Staatsbürger behandelt hatte, schon seit den Nürnberger Rassegesetzen
zu parasitären biologischen Fremdkörpern abgewertet. Diese Denaturierung
wies den barbarischen Weg zur Unfruchtbarkeitsmachung, wie man das im Jargon
der Zeit nannte.169 Existentielle Ängste vor Sterilisation bedrängten fortan auch junge
hohenzollerische Zigeuner, wie die beklemmenden Erinnerungen Lolo Reinhardts bezeugen
: Und dann isch des komme, dass mir Kinder alle, Bube wie Mädle, solltet kasch-
triert were in Hechinge. Mit acht, zehn Jahr wäret mir grad richtig zum Kaschtriere.
Daß du nacher ja net auf dumme Gedanke kommsch. Daß die Zigeiner aussterbet.
Wenn je einer davonkommt, isch er kaschtriert. Daß3 s da keine Nachkomme mehr gibt.
Da wäret sie scho gscheit, die Deitsche. Des muß mr ihne schon lasse.170

Die Kuppelei, derer sich Klink in der ,Sonne' schuldig gemacht haben sollte, erschien
umso gefährlicher, als dort laut dem Bericht Rutzkes die Flugplätzler und hauptsächlich
das Maschienenpersonal von der Firma Berger verkehrten.171 Nun ging es nicht mehr
nur um den Kuppeleivorwurf, sondern um Spionage, ein weiterer willkommener Vorwand
, um Klink vielleicht die Konzession entziehen zu können. Die Gestapo Sigmaringen
hatte den Spionagevorwurf bereits am 24. Juni 1936 gegenüber dem Regierungspräsidenten
ins Spiel gebracht, nachdem zwischen Bisingen und Grosselfingen mit dem
Bau eines Flugplatzes begonnen worden war.172 Der Hechinger Landrat riet allerdings,

167 Hohenzollerische Blätter vom 24.9.1937.

168 Vgl. zur alten Vorstellung eines „Volkskörpers" Münch, „Rassenreinheit" (wie Anm. 60), S. 426-430.

169 Vgl. zur Verbreitung dieser Gedanken in Hohenzollern StAS Ho 13 Tl Nr. 1364 (darin die Verpflichtung
zum Anschauen des parteiamtlichen Films Erbkrank im Hechinger Museum am 22.3.1938 mit
Unterschriften der Verpflichteten). - Die Akte empfiehlt außerdem Maßnahmen gegen erotisierende Lichtbildervorträge
auf Rummelplätzen, dokumentiert aber auch den Widerstand der katholischen Kirche gegen
das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Nebenbei erfahren wir, dass am 5. April 1938
der Hechinger Bürgermeister Bindereif gegen die Verlegung des Hechinger Erbgesundheitsgerichts nach
Balingen protestierte.

170 Reinhardt, Überwintern (wie Anm. 75), S. 51.

171 StAS Ho 13 T1 Nr. 836 (Bericht des Gendarmerie-Hauptwachtmeisters Rutzke vom 2.9.1937).

172 Der Spionagevorwurf gehört zu den ältesten diffamierenden Topoi, mit denen man die Zigeuner Jahrhunderte
lang belegte. Er begegnet, wie oben ausgeführt, bereits zu Ende des 15. Jahrhunderts, als die Türken
nach Westen drängten.

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