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Aufenthaltsrecht auch für Zigeuner?
da der Flugplatz noch eine ungeschützte Baustelle sei, man solle einen Konzessionsentzug
zunächst ausschließlich mit Verletzungen des Gaststättengesetzes begründen.173
Der Regierungspräsident Dr. Karl Simons stimmte dem Vorschlag zu, meinte aber, dass
es schwer sein dürfte, für ein Entziehungsverfahren die erforderlichen Unterlagen zu
erlangen.174 1937 griff der Regierungspräsident auf dem Dienstweg über den Hechinger
Landrat die Spionageidee aber wieder auf.175 Simons, der von der Geschichtsschreibung
bislang eher schonend behandelt wird,176 bringt hierbei den bösartigen Gedanken ins
Spiel, die vermutete Spionagetätigkeit der Steinhofener Zigeuner in die Zuständigkeit
der Staatspolizei zu verlagern, um sie der Nachprüfung im ordentlichen Verwaltungsgerichtsverfahren
zu entziehen. Simons wusste, dass es für einen Spionageverdacht keinerlei
Belege gab. Es bedürfe dafür, so meinte er zynisch, noch einer Erklärung der für
den Flugplatz zuständigen Wehrmacht-Stelle; dass eine Spionage gegen den Flugplatz
überhaupt möglich sei und bekämpft werden müsste. Dies zeigt, wie infam inzwischen
auch der preußische Regierungspräsident in der Zigeunersache agierte.
Am 31. Mai bat der Bisinger Bürgermeister die Flugleitung, nun auch aktiv zu werden
, um dieses unerwünschte Volk endlich aus unserem Bezirk herauszubringen.177 Maier
konnte keinen einzigen tatsächlichen Spionagefall vorweisen, war aber der Meinung,
der Zigeuner als solcher sei im höchsten Grade spionageverdächtig und damit gerade
für unsere Gegend auf die Dauer untragbar.178 Nun schaltete die Bauleitung West des
Flugplatzes die Spionageabwehr ein und versprach, beim kleinsten Vorfall die Zigeuner
aus der Gegend zu vertreiben.179
Verglichen mit den Vorwürfen der Kuppelei und der Spionage erschien den Behörden
der Entzug der Wirtschaftskonzession aber als der eigentliche Königsweg, um
nicht bloß die ungeliebten Zigeuner, sondern auch deren Anwalt endlich los zu werden
.180 Einen Ansatzpunkt hierfür bot das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, das den
Vorwurf einer gesundheitsgefährlichen Verschmutzung der Klink'schen Wohnungen
zu wenig begründet sah. Deren beklagenswerter Zustand sei durch nähere polizeiliche
Ermittlungen und ärztliche Stellungnahme nicht hinreichend aufgedeckt, um eine gewissenhafte
Feststellung in dieser Beziehung treffen zu können.181 Hier knüpfte man an,
weil man sich nicht ein zweites Mal mangelnde Sorgfalt vorwerfen lassen wollte. Zunächst
verschaffte man sich einen Überblick über die im Ort wohnenden oder kam-
173 StAS Ho 13 T1 Nr. 836 (Geheimes Schreiben an den Regierungspräsidenten vom 24.6.1937).
174 StAS Ho 13 Tl Nr. 836 (16.7.1936).
175 Vgl. StAS Ho 13 T1 Nr. 825 (Schreiben vom 29.4.1937). - StAS Ho 13 T1, Nr. 827 (Schreiben vom
3.12.1937).
176 Vgl. Kallenberg, Die Sonderentwicklung Hohenzollerns (wie Anm. 153), S. 215.
177 Gemeindearchiv Bisingen, Nr. 1281 (Schreiben Maiers an die Bauleitung West vom 31.5.1938, auf das
am 14.6.1938 die Antwort einging, dass man die für die Spionageabwehr zuständige Stelle verständigt habe
und die Zigeuner nun schärfer überwache).
178 Zum Spionagevorwurf vgl. Anm. 172.
179 Gemeindearchiv Bisingen, Nr. 1281 (Schreiben der Bauleitung West an den Bisinger Bürgermeister
vom 14.6.1938).
180 StAS Ho 13 T1 Nr. 836 (Initiative des Hechinger Landrats wegen Entziehung der Schankerlaubnis
vom 23.8.1937).
181 Vgl. oben, S. 354.
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