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Paul Münch
pierenden Zigeuner und deren Unterkünfte. Am 6. Dezember 1937 bat der Landrat den
Steinhofener Bürgermeister, er wolle ihm mitteilen, welche Zigeuner bei Klink ihren
ständigen Wohnsitz hätten und polizeilich gemeldet seien und welche sich nur vorübergehend
als Gäste dort aufhielten.182 Bürgermeister Fischer erstellte hierauf am
zweiten Weihnachtsfeiertag ein Verzeichnis der in Steinhofen am 26. Dezember 1937
anwesenden Zigeuner.183 Die Liste nennt vier fest ansässige Familien mit insgesamt
23 Personen: Johann Winter mit seiner Frau Sofie, geb. Reinhardt, samt Sohn und
Tochter, die Witwe Katharina Reinhardt mit zwei Töchtern, einem Sohn und ihrem
Bruder Johannes, sodann Anton Reinhard mit seiner Frau Josefine, geb. Kaufmann, mit
zwei Söhnen, einer Tochter und einem Enkel, schließlich als größte Familie Karl Spindler
samt seiner Frau Maria, geb. Lauster, mit drei Söhnen und drei Töchtern. Neben den
festen Mietern waren weitere acht Personen verzeichnet, die auf Klinks Grundstück in
Wohnwagen kampierten: Johann Nepomuk Reinhardt mit Frau Sofie, geb. Mai, Robert
Reinhardt mit einer Tochter und drei Söhnen sowie Josef Reinhardt. Sie waren allerdings
schon am 11. Januar 1938 abtransportiert worden, wie Bürgermeister Fischer
vermerkte.184
Alle in der Liste erfassten Personen waren süddeutscher, teilweise sogar hohenzol-
lerischer Herkunft, also im Land geborene und wohl schon seit Generationen hier lebende
Zigeuner, die als Landfahrer ihren Lebensunterhalt verdienten. Als reisende
Händler und Handwerker konnten sie nicht alleine losziehen, sondern waren, wie wir
von einigen wissen, auf mindestens einen Helfer angewiesen, der sie begleitete.185 Karl
Spindler sammelte Altmetall und Lumpen und ging mit seinem Sohn Gottlob Reinhardt
auf Tour. Anton Reinhardt betrieb einen Hausierhandel mit Violinen, Korbwaren
und selbstverfertigten Holzwaren. Sein Begleiter Willi Reinhardt flocht Körbe und
half beim Tragen der Waren. Josefine Reinhardt handelte in Begleitung von Maria Reinhardt
mit Spitzen, Kurz- und Korbwaren. Maria Spindler und Sofie Winter waren im
selben Metier tätig.
Am 30. Dezember 1937 bat der Landrat in Schreiben an den Regierungspräsidenten
und das Staatliche Hochbauamt Hechingen, die Unterkünfte der auf der Liste erfassten
Zigeuner zu besichtigen und sich gutachtlich zu äussern, ob die Wohnungen den bescheidensten
gesundheitlichen Anforderungen entsprechen.1^ Eine erste Besichtigung
erfolgte bereits am 4. Januar 1938. Medizinalrat Dr. Hesser vom Staatlichen Gesundheitsamt
Hechingen lieferte rasch und beflissen die erwünschte kritische Beurteilung
der Unterkünfte, die er nach einem Besuch in Begleitung des Kreisfeuerwehrführers
und des Bisinger Gendarmen Rutzke erstellt hatte.187 Der Befund ergab eine Fülle von
182 StASHol3Tl Nr. 827.
183 Vgl. Gemeindarchiv Bisingen, Nr. 196 und St AS Ho 13 T1 Nr. 827.
184 Anfang Januar 1938 hatten die Familien von Johann Nepomuk Reinhardt mit sechs Kindern, Karl
Reinhardt mit vier Kindern sowie drei weitere jugendliche Zigeuner allerdings bereits wieder auf dem
Klink gehörenden Gelände bei der Steinhofener Kirche in Richtung Bisingen kampiert. Von dort schob sie
Rutzke am 11. Januar aber wieder ab (Vgl. StAS Ho 13 Tl Nr. 827 [Berichte Rutzkes vom 6. und
11.1.1938]). Wohin, ist bislang unbekannt.
185 Vgl. hierzu StAS Ho 247 T1 Nr. 379.
186 StAS Ho 13 T1 Nr. 827 (Schreiben vom 30.12.1937).
187 StAS Ho 13 T1 Nr. 827 (4.1.1938). - Vgl. auch StAS Ho 13 T1 Nr. 836.
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