http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0399
Egon Müller, Bürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Sigmaringen
DAS JAHR 1933
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden überall in Deutschland
Straßen und Plätze umbenannt und Nationalsozialisten zu Ehrenbürgern ernannt.
Dies geschah auch in Sigmaringen. Am 30. März 1933 beschloss der neue Sigmaringer
Stadtrat einstimmig, dem Reichspräsidenten von Hindenburg, dem Reichskanzler Hitler
und dem Fürsten von Hohenzollern die Ehrenbürgerwürde der Stadt zu verleihen.29
Müller wusste, dass seine Amtszeit als Bürgermeister mit Ablauf des Monats September
zu Ende ging und er keine Chance hatte, bei der bevorstehenden Wahl nochmals
gewählt zu werden. Trotzdem schickte er am 20. September 1933 an den Beigeordneten
Sträßle ein Schreiben folgenden Inhalts: Für eine Wiederwahl stelle ich mich
zur Verfügung?0
Am 26. September 1933 gab Müller nachfolgendes Schreiben in den Umlauf: An
sämtliche Herren Beamten, Angestellte und Arbeiter der Stadt, Berufsschule, hier. Am
30. September ist meine Amtszeit abgelaufen. Ich möchte mich von jedem einzelnen
herzlich verabschieden, weil ja keinesfalls gesagt werden kann, ob ich wiederkehre. Ich
darf Sie ersuchen, sich am Samstag, den 30. September vormittags 12 Uhr im Großen
Saal des Rathauses gefl. einfinden zu wollen?1 Die Kenntnisnahme dieses Schreibens
wird von 33 Personen namentlich unterzeichnet. Jedoch fehlt die Unterschrift des Beigeordneten
Sträßle. Die Dienstübergabe des Bürgermeisters Müller an den Beigeordneten
Sträßle erfolgte am 29./30. September 1933.32
Bürgermeister Müller schied am 30. September 1933 nach Ablauf seiner Wahlzeit aus
seinem Amt aus und wurde zum 1. Oktober 1933 in den Ruhestand versetzt. Er wusste
natürlich, dass er aus politischen Gründen keine Chance hatte, als eventueller Bürgermeisterkandidat
wieder aufgestellt zu werden. Sein Nachfolger wurde NSDAP-
Mitglied Karl Sträßle.33
EGON MÜLLER WIRD SOLDAT
Nachdem ihm eine weitere Tätigkeit als Bürgermeister verwehrt war, musste sich Müller
um eine neue Existenz bemühen. Zunächst war er durch seine Pension als Bürgermeister
bis zum 1. Mai 1935 abgesichert. Die Familie fasste im Frühjahr 1934 den Ent-
29 Kallenberg, Sonderentwicklung (wie Anm. 17), S. 220: „Dabei scheint Fürst Friedrich der Coup geglückt
zu sein, anstelle der seinem Vater 1927 vom republikanischen Regierungspräsidenten verweigerten
Ehrenbürgerwürde die Umbenennung der bisherigen Marktstraße in Fürst-Wilhelm-Straße zu bewirken,
wie sie noch heute heißt".
30 StAS Dep. 1 T12 Nr. 168, S. 60.
31 StAS Dep. 1 T12 Nr. 168, S. 58.
32 StAS Dep. 1 T12 Nr. 168, S. 59.
33 StAS Dep. 1 T23 Nr. 6, S. 54. - Karl Sträßle war Mitglied der SA seit 1927, Parteimitglied seit 1930, vom
1.1.1928-30.9.1928 informatorische Beschäftigung auf dem Rathaus in Sigmaringen, vom 1.10.1928 bis
zur Wahl als Bürgermeister Kassenleiter beim Arbeitsamt (ebd.).
391
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg2015-16/0399