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Helmut Göggel
Inzwischen trat im Stadtrat der Gedanke immer mehr in den Vordergrund, dass es an
der Zeit sei, dem Bürgermeister das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Im Protokoll der
nichtöffentlichen Sitzung vom 31. Oktober 1948 heißt es: In dankbarer Anerkennung
seiner Leistungen als Stadtoberhaupt in schwerer Notzeit und in besonderer Würdigung
seiner Verdienste um die kulturellen und wirtschaftlichen Belange der Kreisstadt Sigmaringen
wird dem derzeitigen ehrenamtlichen Bürgermeister Egon Müller das Ehrenbürgerrecht
der Stadt Sigmaringen verliehen. Die Bekanntgabe des Beschlusses des
Stadtrats an den Bürgermeister soll in besonderer Sitzung in feierlicher Form erfolgen.7*3
Diese feierliche Ubergabe des Ehrenbürgerbriefs an Bürgermeister Müller erfolgte
im großen Sitzungssaal des Rathauses am 11. November 1948 in Anwesenheit zahlreicher
geladener Gäste, unter ihnen Landeshauptmann Moser und Landrat Rothenbacher
.77
Müller dankte dem Stadtrat für die ihm zuteil gewordene außergewöhnliche Ehrung.
Aus der Tatsache, dass Sigmaringen ihm zur wirklichen Heimat geworden sei, erwachse
ihm die Verpflichtung, seine Arbeitskraft auch weiterhin der Stadt und ihren Bürgern
zu widmen und sich auch für die nächste Wahl zur Verfügung zu stellen.
Was nun folgt und was im Grunde genommen kaum zu verstehen ist, ist die Tatsache
, dass der im Ruhestand sich befindende, schwer kranke Bürgermeister weiterhin
Sitzungen des Stadtrates leitet. In der Sitzung vom 26. November 1948 bezeichnete
Müller die Behebung der Wohnraumnot, die Förderung von Nachwuchskräften für
Handwerk und Handel und die Schaffung von Arbeit und Brot für die als Ausgewiesene
zu uns kommenden Neubürger als vordringliche Aufgabe.7* Wie man sieht, identifizierte
sich Müller weiterhin hundertprozentig mit seiner Aufgabe.
Am 5. Dezember 1948 fanden Kreistags- und Bürgermeisterwahlen statt. Müller erhielt
als Kandidat aller Parteien 96,3 % der abgegebenen Stimmen. Allerdings gingen in
Sigmaringen nur etwa die Hälfte der Wahlberechtigten zur Wahl. Vermutlich war den
von der Wahl Ferngebliebenen ohnehin klar, dass Müller wiedergewählt werden würde
. Die CDU erhielt im Kreis Sigmaringen 81,9 % der abgegebenen Stimmen, im Kreis
Hechingen 62%.79
In der Sitzung vom 17. Dezember 1948 stand ein Streitfall zwischen dem Chor- und
Orchesterverein und der Kultureinrichtung „Die Brücke" im Mittelpunkt der Beratung
. Das Protokoll gibt keine weiteren Hinweise. Abschließend begrüßte jedoch der
Stadtrat die Idee der „Brücke" als völkerverbindende Einrichtung im Cafe Kleindienst
. 80
76 StAS Dep. 1 T23 Nr. 6, S. 194.
77 StAS Dep. 1 T23 Nr. 6, S. 197.
78 StAS Dep. 1 T23 Nr. 7, S. 224.
79 StAS Dep. 1 T 23 Nr. 7, S. 11. - Schwäbische Zeitung Nr. 117 vom 7.12.1948
80 Auf Betreiben der französischen Besatzungsmacht wurde eine „Die Brücke" genannte Begegnungsstätte
geschaffen, durch die besonders die französische Kultur dem deutschen Volk vermittelt werden sollte
. Dazu dienten Vorträge, Zeitschriften, Bücher, Magazine. In Bad Saulgau hieß diese Einrichtung „Die
Fähre". Sie besteht bis zum heutigen Tag, allerdings mit einer anderen Zielsetzung. Am 15.10.1952 stellte
der Besitzer des Cafe Kleindienst beim Landratsamt den Antrag um Rückgabe des ihm gehörenden Hauses
Karlstraße 2, um wieder ein Cafe zu eröffnen. Er erhielt die Genehmigung (StAS Dep. 1 T 6-7 Nr. 169).
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