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Neues Schrifttum
konstituiert." Die zweite Gruppe umfasst vier Texte, nämlich einen über öffentliche
Kulthandlungen im Wien der Barockzeit, wobei es sich vor allem um Prozessionen
handelt {Karl Vocelka). Es folgt ein Text über Monumente in Mussolinis Rom (Franz
J. Bauer), dann einer (eher essayistisch gehalten) über szenisch genutzte Baustellen im
städtischen Bereich (Marie Antoinette Glaser) und schließlich einer über Fußballspiele
als Inszenierungen im städtischen Raum am Beispiel Saarbrückens (Bernd Reichelt).
Die dritte Gruppe besteht wiederum aus drei Beiträgen, und zwar über das „Bureau
d'adresse", eine Art von Vermittlungsbüro, das von 1630 bis 1643 in Paris tätig war und
schon damals eine extreme Art des Datenschutzes praktizierte (Anton Tantner), dann
einen weiteren über Wirtshäuser in der Frühen Neuzeit (Martin Scheutz). Wobei anzumerken
ist, dass Wirtshäuser auf dem Land zu jener Zeit eine mindestens genau so
wichtige Rolle gespielt haben dürften. In dem letzten Beitrag geht es um „Urban Art"
mit Beispielen querbeet aus dem europäischen Raum (Henry Keazor).
Während sich der Arbeitskreis jahrzehntelang ausschließlich mit den Städten Südwestdeutschlands
befasste, hat sich der Horizont seit geraumer Zeit auf Europa erweitert,
was den Veranstaltungen ohne Frage einen weltmännischen Anstrich gibt. So greifen
denn die Beiträge über London, Wien, Rom und über Paris weit in den europäischen
Raum hinein, freilich sehr auf Kosten der Vergleichbarkeit. Nur ein Beispiel: Andre
Krischer hebt nachdrücklich auf eine immense Konzentration des englischen Druckereiwesens
in London ab. Eine vergleichbare Erscheinung wird sich im deutschsprachigen
Raum wohl nicht rinden lassen. Letztlich stellt sich denn die Frage, ob der Arbeitskreis
nicht besser beraten gewesen wäre, sich für seine Arbeitstagung in Saarbrücken
ein handlicheres Thema zu wählen.
Albstadt Peter Thaddäus Lang
Alexander Kästner, Gerd Schwerhoff (Hgg.): Göttlicher Zorn und menschliches Maß.
Religiöse Abweichungen in frühneuzeitlichen Stadtgemeinschaften. Konstanz:
UVK2013, 218 S. (Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven, Bd. 28).
Der vorliegende Sammelband kam an dem Sonderforschungsbereich 804 zustande, der
den reichlich nichtssagenden Titel „Transzendenz und Gemeinsinn" trägt, von Gerd
Schwerhoff geleitet wurde und an der Universität Dresden angesiedelt war. Wie die
Universität Augsburg im Internet definiert, ist ein Sonderforschungsbereich „eine langfristige
, auf Dauer von bis zu 12 Jahren angelegte Forschungseinrichtung einer Hochschule
, in der Wissenschaftler im Rahmen fachübergreifender Forschungsprogramme
zusammenarbeiten". Finanziert werden die Sonderforschungsbereiche gemeinhin nicht
aus dem Universitätshaushalt, sondern aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft
. Innerhalb der besagten Dresdner Forschungseinrichtung befand sich das Projekt
„Gottlosigkeit und Eigensinn. Religiöse Devianz in der Frühen Neuzeit", aus welchem
die Beiträge vorliegenden Schriftwerks stammen.
Unter „Devianz" werden hier nicht nur abweichende Glaubensauffassungen verstanden
, sondern auch, was die jeweiligen Obrigkeiten mit „Gottlosigkeit" bezeichnen,
womit beispielsweise Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern gemeint
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